Aschenputtel: Thriller (German Edition)
diesen Tag hatten wir ein Seminar geplant, für das wir dringend ihre Hilfe benötigten. Aber sie beharrte darauf und behauptete, sie hätte es schon lange im Voraus angekündigt. Mein Gedächtnis war schon damals schlecht. Selbst wenn sie etwas gesagt hatte, dann konnte ich mich jedenfalls nicht daran erinnern. Ich war scheißwütend auf sie, aber das schien ihr egal zu sein.«
Magnus starrte auf den Ordner.
» Es war der 29. Juli.«
Fredrika schrieb das Datum auf.
» Und wie ging die Sache aus?«, fragte sie.
» Natürlich bekam sie frei. Es war wohl so, dass sie ihre geplante Unternehmung nicht verschieben konnte. Aber wir fanden es schon ein wenig komisch. Das Seminar verlief dann auch ziemlich chaotisch, weil sie nicht da war.«
Magnus schüttelte den Kopf.
» Haben Sie sie denn gefragt, was sie an dem Tag vorhatte?«, fragte Fredrika.
» Sie meinte, sie müsste unbedingt jemanden treffen«, sagte Magnus. » Jemanden, der nur an dem Tag in der Stadt wäre. Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass sie mit jemand anderem über die Sache geredet hat.«
Fredrika nickte langsam.
» An mehr erinnern Sie sich nicht?«
Magnus schnaubte.
» Am Abend sind wir uns noch in die Arme gelaufen. Sie war so käseweiß im Gesicht, dass ich es kaum glauben konnte. Ich war wirklich beunruhigt. Aber sie sagte, es würde schon wieder in Ordnung kommen, wenn sie sich nur ausruhte. Ich habe angenommen, dass es mit ihrem Besucher zu tun hatte. Dass das Treffen vielleicht nicht so verlaufen war, wie sie es sich gewünscht hatte.«
Er zuckte die Schultern.
» Außerdem war sie volljährig, da konnte ich sie ja wohl kaum zwingen, zum Arzt zu gehen.«
Fredrika nickte. » Nein, da haben Sie recht.«
Dann legte sie ihre Visitenkarte auf den grünen Ordner.
» Falls Ihnen noch mehr einfällt«, sagte sie und erhob sich.
» Oder wenn ich Gesellschaft brauche«, sagte Magnus und zwinkerte ihr zu.
Fredrika zwang sich zu einem steifen Lächeln.
» Ich finde allein raus«, sagte sie.
Alex Recht war betrübt. Betrübt und wütend. Natürlich hatte er während seiner langen Laufbahn als Polizist schon Fehler gemacht. Selbstverständlich. Niemand war frei von Fehlern. Aber das hier? Das mit dem verschwundenen Kind? Alex hatte nicht übel Lust, auf irgendjemanden einzudreschen– auf wen auch immer. Er hatte die Möglichkeit vollkommen außer Acht gelassen, dass noch weitere Kinder verschwinden könnten. Sie alle hatten das getan. Und er selbst war, selbst nachdem die Ermittlergruppe Gabriel Sebastiansson als Hauptverdächtigen abgeschrieben hatte, so verflucht sicher gewesen, dass die Lösung zu dem Fall in unmittelbarem Zusammenhang mit Sara Sebastiansson stand. Bevor es zu spät gewesen war, hatte er nicht eine Sekunde lang darüber nachgedacht oder sich auch nur der Möglichkeit offen gezeigt, dass die Gruppe das personifizierte Böse gegen sich hatte. Bis es zu spät war.
Es zog in Alex’ Brustkorb, als er ausatmete. Der Zorn schmerzte irgendwo unten im Rachen.
Er blätterte in seinem Kalender auf dem Schreibtisch. Es war Samstag, und es war der fünfte Tag, seit Lilian Sebastiansson aus dem X2000 aus Göteborg entführt worden war. Fünf Tage. Das war nicht sonderlich viel Zeit, aber es hatte sich alles so verdammt schnell entwickelt. Immer wenn sie geglaubt hatten, eine bestimmte Situation unter Kontrolle zu haben, hatte sich gezeigt, dass der Fall schon wieder in eine andere Richtung wies. Immerzu waren sie einen Schritt hinterhergehinkt. Nein, nicht nur einen Schritt– sie waren meilenweit hinterher.
Alex lauschte nach Geräuschen im Flur. Normalerweise war an den Wochenenden fast niemand im Büro, doch heute lief das volle Programm. Der Kripo-Analytiker arbeitete sich an den Hinweisen, die eingingen, schier zu Tode. Alex fragte sich insgeheim, was es wohl brachte, sie alle in eine Datenbank zu füttern. Bisher hatte es jedenfalls noch nicht zu irgendeinem Fortschritt geführt. Aber das hatte natürlich auch an der Art und Weise gelegen, wie die Gruppe arbeitete.
So hatte Peder es zum Beispiel unterlassen, mit dem Analytiker zu reden, als der Anruf von der Frau aus Jönköping kam. Hätte er das getan, dann wäre ihnen die deutliche Verbindung zu ihrem eigenen Fall früher klar geworden. Wenigstens hatte Fredrika die notwendigen Informationen weitergegeben. Es war genau, wie Alex immer schon behauptet hatte, seit die Computer in ihre Arbeit Einzug gehalten und immer mehr den Papierverkehr ersetzt hatten: Computer
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