Aschenputtel: Thriller (German Edition)
frischgebackener Rentner mit Kaffeespritzern auf der handgestrickten Weste, war nicht ansatzweise der Mann, den Fredrika sich vorgestellt hatte. Aus irgendeinem Grund hatte sie gedacht, dass er jünger, dunkelhaarig und irgendwie ansprechender wäre. Und kleiner. Es machte Fredrika immer ein wenig nervös, wenn sie sich im Verhältnis zu einem Fremden klein vorkam.
Magnus führte Fredrika durch das Haus hindurch auf die rückseitige Terrasse. Er bot ihr nichts an, sondern ließ sich einfach ihr gegenüber nieder und starrte sie an.
» Wie ich am Telefon schon sagte, erinnere ich mich nur noch an wenig aus diesen Jahren«, sagte er kurz angebunden. Und noch ehe Fredrika antworten konnte, fuhr er fort: » Ich bin trockener Alkoholiker, und die Zeit, um die es Ihnen geht, war wirklich keine besonders gute in meinem Leben.«
Fredrika nickte langsam.
» Es geht mir auch nicht um Einzelheiten und Details«, sagte sie.
Magnus Söder zuckte mit den Achseln.
» Ich habe ein paar Unterlagen aus dem Jahr rausgesucht«, sagte er mit einem Seufzen. » Ich bin noch nie gut darin gewesen, altes Material wegzuwerfen.«
Mit einem Krachen warf er einen grünen Ordner auf den Tisch zwischen ihnen. Fredrika zuckte zusammen.
» Um wen ging es noch mal?«, fragte Magnus Söder ungerührt.
» Es geht um Sara Lagerås«, antwortete Fredrika. Wie gut, dass sie sich noch an Saras Mädchennamen erinnerte.
Magnus Söder starrte schweigend auf eine aufgeschlagene Seite in seinem Ordner.
» Genau«, sagte er dann.
Fredrika runzelte die Stirn.
» Genau«, sagte er wieder. » Die hab ich hier. Sie kam aus Göteborg, nicht wahr?«
» So ist es«, bestätigte Fredrika.
» Und jetzt hat sie ihr Kind verloren? Von dem in den Nachrichten die Rede war?«
» Richtig.«
Magnus gab ein unbestimmtes Geräusch von sich.
» Eigentlich habe ich nur ein paar Fragen«, sagte Fredrika. Unwillkürlich rückte sie sich die Bluse zurecht. Hatte Magnus Söder ihr gerade in den Ausschnitt gestarrt?
Er hob den Blick, sagte aber nichts.
» Geht aus Ihren Unterlagen hervor, ob sie im Anschluss an den Schreibkurs noch weiter hier gearbeitet hat?«
Magnus blätterte in dem Ordner.
» Ja. Es war vereinbart, dass sie den ganzen Sommer lang bleiben würde. Irgendjemand konnte immer bleiben. Der andere Kursleiter, der inzwischen übrigens in Sydney wohnt, und ich, wir brauchten immer Hilfe mit administrativen Dingen und so.«
» Und wie haben Sie die Personen ausgewählt, die dann bleiben durften?«, fragte Fredrika.
» Entweder war das schon vorher ausgemacht, oder wir suchten einen der Kursteilnehmer aus, der sich als besonders begabt erwiesen hatte. Es wollten immer mehr Leute bleiben, als wir benötigten. Es wurde wohl als eine Art Belobigung angesehen.«
» Und wie war es im Fall von Sara Lagerås?«
Magnus Söder blätterte wieder in seinem Ordner.
» Sie hatte sich vorab beworben«, antwortete er. » Ich habe ihren Brief hier im Ordner. Sie schreibt, dass sie gern während des Sommers in Umeå jobben würde, und sie hat ein paar Probetexte mitgeschickt. Sie machte einen guten Eindruck auf uns, und deshalb gaben wir ihr eine Chance.«
» Darf ich die Bewerbung bitte einmal sehen?«
Magnus reichte ihr den Ordner.
Der Brief enthielt keinerlei interessante Information. Sara suchte ganz einfach einen Sommerjob auf dem Kursgelände.
» Hat sie irgendwann einmal erwähnt, ob es noch andere Gründe gab, warum sie bleiben wollte?«, fragte Fredrika.
» Nicht, soweit ich weiß«, meinte Magnus.
Als er Fredrikas Miene sah, fuhr er fort: » Also, ganz ehrlich, an dieses Mädchen, Sara, erinnere ich mich natürlich. Aber sie war nur eine von vielen Sommerpraktikantinnen. Sie wohnte allein auf dem Kursgelände und verbrachte ihre Zeit mit den anderen Kursteilnehmern. Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, dass ich sonderlich viel mit ihr gesprochen hätte, und wir haben definitiv niemals über etwas Persönliches geredet. Wir haben über die Arbeit und das Schreiben gesprochen.«
Magnus Söder streckte sich nach dem Ordner, und Fredrika schob ihn ihm automatisch zu. Er blätterte eine Zeit lang schweigend darin.
Plötzlich richtete er sich auf.
» Ach ja, richtig«, sagte er leise.
Er sah Fredrika an.
» Es gab damals ein kleines Durcheinander um einen bestimmten Termin.«
Fredrika runzelte die Stirn.
» Das Mädchen, also Sara, teilte uns plötzlich mit, dass sie an einem bestimmten Tag unbedingt frei haben müsste, und ausgerechnet für
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