Aschenputtel: Thriller (German Edition)
Übereinkunft, und die besagte im Prinzip, dass ihre Beziehung in keiner Weise irgendwelche Verpflichtungen oder Versprechungen beinhaltete, einander zu unterstützen. So war Spencers Rolle in ihrem Leben ganz deutlich umrissen. Und trotzdem war er gekommen, wenn auch bestimmt nicht nur für sie, sondern auch für sich selbst.
» Man muss die Gelegenheit beim Schopfe packen«, hatte Spencer gesagt, als sie einen Augenblick später miteinander anstießen. » Schließlich hat man nicht jeden Tag Grund, Umeå zu besuchen und so schick im Stadshotell zu wohnen.«
Die völlig überrumpelte Fredrika hatte versucht, sich gleichzeitig zu bedanken und zu erklären. Es war wunderbar gewesen, ihn schon so bald wiederzusehen, aber ob er denn wisse, dass sie am nächsten Tag arbeiten und dann gleich wieder nach Hause fliegen würde? Ja, das wisse er. Aber die Sehnsucht sei einfach zu groß gewesen. Und er habe doch am Telefon gehört, wie traurig und erschöpft sie gewesen sei.
Fredrika glaubte, dass Spencers Ehefrau Eva von ihrer Beziehung wusste. Das würde zumindest erklären, warum er so leicht jede Woche eine Nacht von zu Hause fernbleiben konnte. Außerdem hatte Eva im Lauf der Jahre auch ihre eigenen Affären gehabt.
Irgendwann hatte Spencer einmal erwähnt, warum er sich nicht scheiden ließ. Seine Ehe war von einer Reihe empfindlicher Beziehungen eingerahmt, unter anderem die zwischen ihm und seinem Schwiegervater, die eine Scheidung unmöglich machten. Und dann, so hatte Spencer hinzugefügt, war es doch so, dass seine Frau und er auf eine seltsame Weise durch Bande, die zwar dehnbar waren, aber niemals reißen konnten, miteinander verbunden waren.
Und das, dachte Fredrika, war eigentlich auch kein Problem. Sie war alles andere als sicher, dass sie ihren Alltag so gern mit Spencer geteilt hätte.
Es war ein stiller und erinnerungswürdiger Abend geworden. Wein auf der Terrasse, dann ein Besuch im nahe gelegenen Restaurant, wo ein junger Pianist den warmen Abend mit Musik gekrönt hatte. Als Fredrika ein wenig berauscht vom Wein und dem zeitweiligen Seelenfrieden dagesessen und den Pianisten ein wenig zu intensiv angestarrt hatte, hatte Spencer die Hand über den Tisch gestreckt und vorsichtig die Narbe auf ihrem Arm gestreichelt. Doch Fredrika hatte weiter den Mann am Klavier betrachtet und Spencers Blick vermieden. Aber sie hatte sich nicht zurückgezogen.
Sie legte die Haarbürste in die Tasche und rückte das Jackett zurecht. Das Einzige, was ihr an Spencers Besuch Angst machte, war, dass sie es immer noch nicht über sich gebracht hatte, von dem Anruf aus dem Adoptionszentrum zu erzählen.
Er muss es erfahren, dachte sie. Ganz gleich was für eine Beziehung er und ich haben, muss ich es ihm erzählen. Bald.
Es war dann doch schon neun Uhr, als Fredrika das Stadshotell verließ und sich zu der Adresse begab, wo der Leiter des Schreibkurses wohnte, an dem Sara Sebastiansson vor vielen Jahren teilgenommen hatte.
Sie stellte den Motor ab, blieb aber im Wagen sitzen und rief bei Alex an. Die Medien seien durchgedreht, erzählte er, was Fredrika kaum entgangen war. Eine Babyleiche sei noch nicht gefunden worden, worüber alle Beteiligten froh seien, auch wenn sie wüssten, dass ihnen wahrscheinlich nicht mehr allzu viel Zeit blieb.
» Gib Bescheid, wenn du etwas herausfindest«, sagte er. » Wir haben hier in Stockholm gestern Abend und heute früh noch eine ganze Reihe Spuren verfolgt, aber ehrlich gesagt…«
Fredrika sah vor sich, wie er den Kopf schüttelte.
» Ehrlich gesagt haben wir null Erfolge«, seufzte er, und sie verabschiedeten sich.
Fredrika stieg aus und ging mit langen Schritten auf das Haus zu. Irgendwie sieht es aus wie das Hexenhäuschen aus Hänsel und Gretel, dachte sie. Süß und ansprechend, niedliche Details, die fast aussahen, als wären sie auf die Fassade gemalt. Die Umgebung war ruhig und gediegen. Satte Obstbäume, saubere Beete. Keine Kinder, keine Jugendlichen. Ein Rentnerviertel, schoss es Fredrika durch den Kopf, da öffnete sich auch schon die Tür, und sie sah sich einem großen Mann mit dichtem rotem Haar gegenüber.
Fredrika blinzelte erstaunt.
» Magnus Söder?«
» Der bin ich«, antwortete der Mann und gab ihr die Hand.
Fredrika war erleichtert, als sie seine Stimme von den Telefongesprächen wiedererkannte, und erwiderte den Gruß. Sie lächelte und sah ihm direkt in die Augen. Sein Ausdruck hatte etwas Hartes an sich, etwas Aggressives.
Magnus Söder,
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