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Aschenputtel: Thriller (German Edition)

Aschenputtel: Thriller (German Edition)

Titel: Aschenputtel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Ohlsson
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dass er inzwischen bei der Polizei zu einer Art Legende geworden war. Im Großen und Ganzen war er der Meinung, dass er diesen Ruf verdiente. Mehr Fälle, als er zählen konnte, waren über seinen Schreibtisch gegangen, und die meisten davon hatte er früher oder später gelöst– zwar nie allein, aber oft genug war er derjenige gewesen, der die Ermittlungen geleitet hatte. So wie auch dieses Mal. Doch jetzt spürte er erstmals, wie viel Zeit vergangen war. Man munkelte, das Rentenalter für Polizisten solle auf einundsechzig herabgesetzt werden. Zuerst hatte er das für indiskutabel gehalten, doch inzwischen dachte er anders darüber. Es konnte für eine Behörde wie die Polizei nicht zuträglich sein, von alten, erschöpften Mitarbeitern ausgebremst zu werden. Frischer Wind, neues Blut, all das war wichtig.
    Während seiner Jahre als Polizist war Alex mehr verzweifelten Menschen begegnet, als er zählen konnte. Sara Sebastiansson war lediglich das jüngste Beispiel, und doch hatte sie keine richtige Verzweiflung gezeigt. Vielmehr nahm sie sich auf eine Weise zusammen, die Alex bemerkenswert fand. Er zweifelte nicht daran, dass sie vor Sorge und vor Sehnsucht nach dem Kind zu zerspringen drohte. Trotzdem zwang sie sich dazu, nichts davon zu zeigen, ganz so als glaubte sie, wenn sie eine Sekunde lang, nur eine Sekunde, bekannte, welch schreckliche Angst sie in Wahrheit hatte, würde ihr die Welt unter den Füßen weggezogen und die Tochter wäre auf immer verloren. Angeblich hatte sie noch nicht einmal ihre Eltern benachrichtigt.
    » Das werde ich morgen machen, wenn Lilian bis dahin nicht wieder da ist.«
    Jetzt war es morgen, und soweit Alex wusste, war Lilian immer noch verschwunden. Er sah auf sein Handy. Keine unbeantworteten Anrufe, keine neuen Nachrichten.
    Es gab ein paar grundlegende Erfahrungen, an die man sich halten konnte, wenn Kinder verschwanden. Die allermeisten von ihnen tauchten wieder auf. Früher oder später. Und später bedeutete selten länger als einen Tag. So war es zum Beispiel voriges Jahr mit dem kleinen Jungen draußen auf Ekerö gewesen. Der Junge, vielleicht fünf Jahre alt, hatte sich aus dem Sommerhaus geschlichen, während die Eltern sich gestritten hatten. Er war ganz einfach drauflosgelaufen und hatte sich dabei so weit vom Haus entfernt, dass er nicht mehr allein zurückfand.
    Gefunden hatte man ihn schließlich fast zehn Kilometer von dem Haus entfernt, weit außerhalb des Radius, den man zunächst für wahrscheinlich gehalten hatte. Sie hatten ihn schon am frühen Morgen seinen Eltern übergeben können, und das Letzte, was Alex gehört hatte, als er das Sommerhaus verließ, war der erbitterte und harte Streit der Eltern, wessen Schuld es denn nun gewesen sei, dass der Junge verschwunden war.
    Dann gab es natürlich auch solche Fälle, mit denen Alex sich nicht so leicht abfinden konnte. Fälle, in denen dem Kind durch die Hand eines Entführers derart abscheuliche Sachen angetan worden waren, dass es im Grunde ein anderes Kind war, wenn man es den Eltern wiederbrachte. Er erinnerte sich an ein kleines Mädchen, das mehrere Tage lang wie vom Erdboden verschluckt gewesen war, bis ein aufmerksamer Autofahrer es schließlich entdeckte. Man brachte es ins Krankenhaus, und es war noch mehr als eine Woche bewusstlos und konnte auch hinterher niemals genau berichten, wie es zu der Entführung gekommen oder was ihm zugestoßen war. Aber das war auch gar nicht nötig. Die Verletzungen an seinem Körper zeugten deutlich davon, was für eine Sorte Mensch es gewesen war, der sich an dem Mädchen vergriffen hatte, und obgleich Ärzte, Psychologen und die wohlmeinenden Eltern alles taten, was in ihrer Macht stand, um die Wunden zu heilen, gab es doch seelische Verletzungen, die keine Medizin und keine Worte auf dieser Welt ungeschehen machen konnten.
    Das Mädchen wuchs als kaputte und verschlossene Person auf, die ständig mit ihrer Umgebung aneckte, sowohl zu Hause als auch in der Schule. Es wurde immer mehr zur Außenseiterin. Den Schulabschluss machte es nie, und noch ehe es mündig war, lief es von zu Hause weg und ging auf den Strich. Immer wieder wurde es zu seinen Eltern zurückgebracht, verschwand aber stets aufs Neue. Kurz vor seinem zwanzigsten Geburtstag starb es an einer Überdosis Heroin. Alex saß in seinem Büro und weinte, als er davon erfuhr.
    Gestern Abend hatte Alex das starke Bedürfnis empfunden, Sara Sebastiansson persönlich zu treffen, und deshalb war er mit Fredrika

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