Aschenputtel: Thriller (German Edition)
dachte Peder, wenn man nicht einmal mehr mit seiner eigenen Frau schlafen darf.
Und das Letzte, was Peder ertrug, war Erniedrigung.
Als sie sich vor sechs Jahren kennengelernt hatten, war Ylva der lebendigste Mensch überhaupt gewesen. Damals hätte er sich nicht im Traum vorstellen können, dass er sie jemals betrügen könnte. Aber war es wirklich Betrug, wenn der andere ein ganzes Jahr lang keinen Sex wollte? Ein Jahr war in Peders Vorstellungswelt sehr, sehr lang.
Ylva, Ylva, wohin bist du nur verschwunden?
Pia Nordhs Nummer brannte in seinem Handy. Wenn er sie einfach mal anrief und irgendwie andeutete, dass es ein Fehler und dass er bescheuert gewesen sei, Schluss gemacht zu haben, dann würde sie sich vielleicht wieder mit ihm treffen.
Peder rutschte nervös auf dem Stuhl herum. Diese aufgezwungene Enthaltsamkeit machte ihn völlig rücksichtslos, rief er sich zur Räson. Rücksichtslos und frustriert.
Aber er würde bessere Arbeit leisten, wenn er etwas Zerstreuung hätte.
Mit zitternden Händen kramte er nach seinem Handy. Es dauerte eine Weile, bis sie sich meldete.
» Hallo?«
Diese heisere Stimme, warme Erinnerungen. Wahnsinnige Erinnerungen. Peder legte auf. Er schluckte heftig und fuhr sich durchs Haar. Reiß dich zusammen. Dies hier ist nicht der richtige Zeitpunkt, um die Kontrolle zu verlieren. Ausgerechnet jetzt nicht.
Er beschloss, stattdessen Jimmy anzurufen und zu fragen, wie es ihm ging.
Ellen steckte den Kopf durch die Tür. » Alex hat angerufen. Du sollst dafür sorgen, dass die Medien ein Bild von dem Mädchen kriegen. Das hat gestern nicht mehr geklappt.«
Peder richtete sich sofort auf. » Klar, kein Problem.«
Als er seine Truppe nach dem Besuch bei Sara Sebastiansson um sich versammelte, fühlte Alex Recht sich nicht wohl. Der Schuhabdruck Größe 46 in unmittelbarer Nähe der Sitzplätze von Lilian und Sara Sebastiansson war bislang alles gewesen, worauf sich das Team bei seiner Arbeit stützen konnte. Alex hoffte inständig, dass das Paket, das ans SKL gegangen war, weitere Spuren enthielt.
Das Paket hatte allerdings auch die erschreckende neue Dimension des Falls offenbart. Sie hatten es mit einem gelinde gesagt ziemlich ungesunden Täter zu tun. Wer nur konnte einer Mutter so etwas antun?
» Fredrika versucht, aus der Mutter von Gabriel Sebastiansson alles, aber auch wirklich alles herauszukriegen.«
Dies vermeldete Alex nicht etwa allen Beteiligten, es war vielmehr eine barsche Aufforderung, und Fredrika nickte nur und machte sich ein paar Notizen. Alex wäre nicht erstaunt, wenn sie eines Tages mit einem Diktafon in der Tasche aufkreuzte.
» Das Paket stellt alles Bisherige infrage«, sagte er. » Wir wissen jetzt sicher, dass Lilians Verschwinden kein Zufall war und dass sie nicht aus freien Stücken gegangen ist. Irgendjemand kannte sie, und zwar jemand, der ihrer Mutter offenbar Böses will. Und dieser Jemand hält sie jetzt versteckt. So wie die Dinge stehen…« Alex räusperte sich kurz. » Wir haben Sara noch nicht wieder befragen können, aber aus dem Gespräch, das ich gestern Abend mit ihr geführt habe, ging hervor, dass sie außer ihrem Ex keine weiteren Feinde zu haben scheint. Solange wir keine Informationen erhalten, die in eine andere Richtung weisen, zum Beispiel durch neue Hinweise oder dergleichen, arbeiten wir weiter nach der Annahme, dass Gabriel Sebastiansson das Kind in seiner Gewalt hat.«
Alex warf Fredrika einen warnenden Blick zu, doch sie schwieg.
» Noch Fragen?«
Schweigen.
» Wie läuft es mit den Anrufen?«, fragte Alex. » Ist irgendetwas reingekommen, das wir verwenden können?«
Peder wand sich auf seinem Stuhl und sah zu dem Kripo-Analytiker hinüber. » Nein«, sagte er zögernd. » Nein, nichts Konkretes. Also, ein paar Hinweise gibt es schon, aber es wird wohl erst richtig losgehen, wenn im Fernsehen und in den Zeitungen das Bild erschienen ist.«
Alex nickte. » Das Bild ist jetzt rausgegangen?«
» Klar.«
» Gut, das ist gut. Irgendjemand da draußen muss doch etwas gesehen haben. Es ist völlig unmöglich, dass kein einziger Mensch in dem Zug bemerkt haben sollte, wie Lilian ihn verlassen hat.« Er holte tief Luft und fügte dann hinzu: » Und natürlich halten wir uns mit den Angaben über das Paket an Sara so weit wie möglich zurück. Nicht auszudenken, was für Schlagzeilen wir zu sehen kriegen würden, wenn bekannt wird, dass der Täter das Mädchen skalpiert hat.«
Eine Weile herrschte Stille. Die
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