Aschenputtel: Thriller (German Edition)
dastand.
Andererseits mochte Fredrika nicht näher darüber nachdenken, ob denn einer von ihnen auch als klarer Gewinner dastand. Solange ihr Herz Sehnsucht signalisierte, gab sie sich hin.
Eine ältere Frau, die Gabriel Sebastianssons Mutter sein musste, stand schon auf der Treppe, als sie einbog und am Rand des gekiesten Wendeplatzes vor dem Haus stehen blieb. Die Frau bedeutete Fredrika, sie solle die Scheibe hinunterkurbeln.
» Bitte parken Sie Ihr Auto dort drüben«, sagte sie und zeigte mit einem langen, schmalen Finger auf einen freien Platz zwischen Autos, die, wie Fredrika annahm, wohl zum Haus gehörten.
Fredrika parkte und stieg aus. Sie atmete die feuchte Luft ein und spürte, wie ihr sofort die Kleider am Körper klebten. Während sie auf Teodora Sebastiansson zuging, sah sie sich diskret um. Der Garten, der am Ende der Straße lag, war im Vergleich zu den anderen, an denen sie auf dem Weg hierher vorübergefahren war, riesig– fast ein Park. Der Rasen war erstaunlich grün und erinnerte an das Gras auf einem Golfplatz. Das gesamte Anwesen war von einer Mauer umgeben. Das Tor, durch das Fredrika hineingefahren war, schien die einzige Öffnung zu sein, und es überfiel sie ein Gefühl von Eingeschlossensein und Ungastlichkeit. Rund um das Haus herum und dahinter wuchsen große Bäume, deren Namen sie nicht kannte. Aus irgendeinem Grunde konnte Fredrika sich nicht vorstellen, dass hier jemals ein Kind gespielt haben sollte. Auf dem Rasen weiter hinten zur Mauer hin wuchs eine Gruppe wunderschöner Obstbäume, und noch tiefer im Garten lag ein riesiges Gewächshaus.
» Im Sommer sind wir im Grunde, was Obst und Gemüse angeht, Selbstversorger«, sagte die ältere Frau wie als Antwort auf Fredrikas ungestellte Frage. » Der Vater meines Mannes hatte ein großes Interesse an Gartenarbeit.«
Irgendetwas an der Stimme der Frau ließ Fredrika aufhorchen. Sie hatte ein schweres Echo, und manche Konsonanten klangen rau. Es war schwer zu erklären, wo bei solch einer kleinen Person das Echo herrührte.
Als sie an der Treppe angekommen war, gab Fredrika ihr die Hand und stellte sich vor. » Fredrika Bergman, Ermittlerin bei der Polizei.«
Die Frau nahm Fredrikas Hand und drückte sie unerwartet fest, genau wie Sara es tags zuvor am Hauptbahnhof getan hatte.
» Teodora Sebastiansson«, sagte die Frau und verzog den Mund ein klein wenig.
Fredrika stellte erstaunt fest, dass das Lächeln ihr schmales Gesicht noch älter aussehen ließ.
» Es ist sehr freundlich, dass ich vorbeikommen durfte.«
Teodora Sebastiansson nickte in derselben gnädigen Haltung, die sie schon beim Einweisen in den Parkplatz gezeigt hatte. Das Lächeln verschwand, und das Gesicht glättete sich wieder.
Sie waren beide ungefähr gleich groß, doch damit hatte die Ähnlichkeit auch schon ein Ende. Die grauen und vermutlich langen Haare hatte Teodora aus dem Gesicht zu einem strengen Knoten gebürstet, der hoch am Hinterkopf saß. Ihre Augen waren von dem gleichen eisigen Blau, das Fredrika schon auf Gabriels Passbild aufgefallen war, als sie es im Passregister aufgerufen hatte.
Ihre Körpersprache war perfekt kontrolliert, die Hände ruhten auf dem Unterbauch übereinander, genau dort, wo sich der graue Rock anschloss. Darüber trug sie eine cremefarbene Bluse, die allein von einer Brosche unter ihrem spitzen Kinn aufgemuntert wurde. In den Ohren trug sie schlichte Perlen.
» Ich bin natürlich sehr besorgt um mein Enkelkind«, sagte Teodora, aber ihre Stimme klang so unpersönlich, dass Fredrika ihr intuitiv keinen Glauben schenken mochte. » Ich will alles tun, was in meiner Macht steht, um der Polizei zu helfen.«
Sie streckte eine Hand aus und bedeutete Fredrika einzutreten. Fredrika machte drei rasche Schritte in den weiten Flur und hörte Teodora die Tür hinter ihnen zuziehen.
Einen Moment lang war es völlig still, und Fredrikas Augen mussten sich erst an die schwache Beleuchtung in dem fensterlosen Eingang gewöhnen. Es kam ihr fast so vor, als wäre sie in einem Museum aus der Jahrhundertwende gelandet. Ein Tourist von außerhalb Europas würde wahrscheinlich ein Vermögen dafür zahlen, in der Villa der Familie Sebastiansson nächtigen zu dürfen.
Das Gefühl, sich in einer anderen Ära zu befinden, wurde noch stärker, als Fredrika in einen angrenzenden Raum geleitet wurde– offenbar der Salon der Familie. Jedes Detail, die Auswahl der Tapeten, Leisten, der Stuckelemente an der Decke und die Wahl der Möbel,
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