Aschenputtelfluch
wild irgendwelche Formeln und Zahlen aufs Papier zu schreiben.
Wenn irgendwann irgendjemand, meine Nachkommen oder Außerirdische, dieses Blatt finden würde, könnten sie mit diesen Chaosformeln vermutlich die Erde in die Luft sprengen.
Irgendwann endete die Stunde. Außer Indi war niemand mehr im Zimmer. Langsam und konzentriert packte er sei ne Tasche. Ich holte tief Luft und ging einen Schritt auf ihn zu.
»Indi?«
»Weißt du nicht, dass sie einen Bann über dich verhängt haben? Keiner darf mit dir sprechen. »
»Du brauchst ja nicht zu reden. Du musst einfach nur zu hören.«
Auf dem Flur standen die anderen und beobachteten uns. Ich zog den Zettel aus meiner Jackentasche. »Du bist doch mit Nikolaj in einem Zimmer, oder?«
Ich deutete die Art, wie er die rechte Augenbraue unab hängig von der linken nach oben zog, als eine Antwort.
»Was ist mit ihm? Warum ist er nicht hier?«
Er zuckte mit den Schultern, warf der Gruppe einen Blick zu und legte die Hand auf die Stirn.
»Ist er krank?« Meine Erleichterung war riesengroß. Klar, er war krank, was sonst! Er hatte ja auch super schlecht ausgesehen. Ich reichte ihm den Zettel. »Kannst du ihm den geben?«
Er starrte zögernd das Papier an, dann mich und steckte es ein. Ich beschloss, ihm... nun, nicht gerade zu vertrau en, aber auch nicht zu misstrauen.
»Danke!«, sagte ich.
Er wandte sich zum Gehen, doch als er sich an mir vorbeischob und sein Arm meine Schulter streifte, beugte er sich kurz zu mir herüber. Sein Atem roch nach Pfefferminzbonbons und ich hörte, wie er mir etwas zuflüsterte. Im nächsten Moment verließ er endgültig den Raum und schob sich an den anderen vorbei, ohne sie zu beachten. Mein Verstand versuchte, seine Worte zu rekonstruieren. Wenn mich nicht alles täuschte, hatte er geflüstert: »Pass auf dich auf!«
Sollte dies eine Drohung sein? Den ganzen Morgen konnte ich nur an eines denken: Ich musste wissen, was mit Kira passiert war. Sobald sich die Gelegenheit bot, schnappte ich mir den Laptop. Ich flüchtete in den Com puterraum, und obwohl ich ständig daran denken musste, dass Kiras Schicksal vielleicht ansteckend sein könnte, kam mir nicht einmal der Gedanke, jetzt mit meinen Nach forschungen aufzuhören.
Kiras Tagebuch
Eintrag No. 23
Ich habe mich mit dem Laptop in die Kirche verkrochen, damit mich niemand sieht. Auf keinen Fall dürfen sie das Tagebuch entdecken. Dann wäre ich nicht in der Vorhölle, sondern in der Hölle. Sie würden mir meine Seele stehlen, das weiß ich sicher. Aber hier in die Kirche kommt niemand so schnell herein. Ich sitze auf den kalten Fliesen, über mir dieses riesige Gewölbe, das jetzt nicht mehr beeindruckend wirkt, sondern mir nur noch Angst einjagt. Die das gebaut haben, wussten, wie man sich als Loser fühlt.
Ich wünschte, ich müsste nicht hier sein, ich wünschte . . . alles wäre nicht passiert.
Ist es aber. Auf diese unheimliche Art und Weise nicht mit Krach, Streit, Geschrei , nein, leise, heimlich, versteckt, als ob sie immer genau ahnen, wo ich bin, was ich tue, was ich denke. Was ich fühle, wissen sie sowieso, denn ich kann ja nichts anderes mehr fühlen und denken als: Hört auf! Bitte! Lasst mich in Ruhe!
Und ER?
Glaubt er wirklich, ich sei eine Diebin?
Mein Gott, nur noch eine Woche, dann sind Ferien. Wie soll ich die überstehen?
Seltsamerweise haben sie mich eine Weile ignoriert. Fast habe ich schon geglaubt, es sei vorbei. Wie dumm ich bin. Dumm! Dumm! Dreimal dumm! Ich hätte mir denken können, dass etwas in der Luft liegt.
Meg war nicht da, als ich vom Duschen zurückkam, aber das spielt keine Rolle oder doch?
Im Zimmer roch es komisch, irgendwie modrig, fast schon faulig. Und es war eine schreckliche Hitze im Raum. Automatisch ging ich zum Fenster und kippte es. Doch die frische Luft reichte nicht aus, den Geruch zu vertreiben.
Jedenfalls zog ich den Pulli aus...im Nachhinein scheint mir, dass das alles ganz langsam passiert war, im Zeitlupentempo wie ich den Pulli über den Stuhl hängte, mich aufs Bett setzte . . . der Geruch wurde zu einem ekelhaften Gestank...die Hausschuhe abstreifte, die Socken auszog und alles noch ordentlich verstaute. Ich bemerkte den Fleck erst, als ich mich nach unten beugte, um die Hausschuhe unter das Bett zu schieben. Ein schwarzer Fleck in der Höhe meines Kopfkissens. Ich hob den Kopf. Eine rote Spur auf dem hellen Holz, die sich im Betttuch fortsetzte.
Blut?
Wo kam das her?
Was soll ich sagen? Angst schärft den
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