Aschenputtels letzter Tanz
gestemmten Armen, während Mutsch noch vor dem Ofen hockt und mit dem Schürhaken die Reste des Lakens hin und her schiebt, damit sie leichter verbrennen.
»Das war ja sowieso nicht mehr zu retten«, murmelt Mutsch zerknirscht und erzählt ihr, was in der Nacht passiert ist.
Keine fünf Minuten später stöpselt Großmutter das Telefon wieder ein und beschwert sich lautstark bei der Polizei, weil die angeblich nicht genügend zum Schutz der Bürger unternimmt.
»Oder halten Sie es vielleicht für normal, dass hier Menschen und Schafe aufgeschlitzt werden?«, brüllt sie irgendwann in den Hörer, sodass Mutsch und ich die Köpfe einziehen, obwohl wir zur Abwechslung mal nicht der Grund für Großmutters Ärger sind. Mit Schwung legt Großmutter auf und verstaut das Telefon wieder in der Speisekammer.
Keine Stunde später wimmelt es auf dem Grundstück vor Polizisten, die noch einmal von Großmutters Zugang zum Moor aus den Bruchwald durchkämmen, um nach möglichen Spuren zu suchen, die der Vandale hinterlassen haben könnte.
Hinweise auf das Monster finden sie dabei nicht, nur leere Bierflaschen und einen Sack voller Sperrmüll, den jemand widerrechtlich dort abgelegt hat. Irgendwie erwarte ich, dass die Wächtereichen jeden Moment mit ihren schweren Ästen auf die Beamten herabsausen, aber sie schwanken nur im Wind, als würden sie einer leisen Melodie folgen.
Mitten in der Suchaktion geraten auch noch drei von Billys Schafen, die es irgendwie geschafft haben, den mobilen Zaun zu umgehen, plötzlich auf Großmutters Grundstück. Einige Minuten lang gibt es Verwirrung, als sich Schafe und Polizisten gegenüberstehen, doch danntaucht Billy atemlos auf und rettet die Situation, indem er seinen Hütehund, einen Border Collie namens Herkules, auf die Schafe ansetzt.
Der Hund treibt die Schafe erst einmal auf die Wiese, damit sie aus dem Weg sind, und sitzt ihnen dann gespannt gegenüber, während Billy zu uns herüberkommt. Er sieht aus, als könnte er jeden Moment stehenden Fußes einschlafen. Seine Augenringe sind vom schönsten Gewitterhimmelgrau, das Haar noch mehr verstrubbelt als sonst, und eine tiefe Furche hat sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet. Für ihn war die Nacht offenbar noch kürzer als für uns.
Wortlos drückt Mutsch ihm einen Pott Kaffee in die Hand, während wir alle auf der Wiese stehen und dabei zusehen, wie die Polizei den Bruchwald durchkämmt. Nur die Schafe scheinen von der ganzen Aufregung nichts zu merken, sie fressen sich glücklich durch Großmutters Gras und versuchen sich sogar an den Rosenbüschen, was sie aber sehr schnell bereuen.
Der Anblick der Polizei löst in mir beißende Zweifel darüber aus, ob ich nun jemandem von den Zusammenhängen erzählen soll, die Tobi und ich herausgefunden haben. In dem Einsatzleiter erkenne ich den Beamten wieder, der mich im Krankenhaus befragt hat, und ich mache schon einen Schritt auf ihn zu, als mich Elsa auf einmal am Oberarm packt und ins Haus zurückzieht. Dort riecht es immer noch nach Asche und Rauch, obwohl im Erdgeschoss die Fenster geöffnet sind.
Ohne sich nach mir umzuschauen, zerrt mich Elsa weiter, und für ihre zarte Statur hat sie einen erstaunlich festen Griff. Dort, wo sie mit den Fingern meinen Arm umschließt, werden sich am nächsten Tag sicher blaue Flecken bilden.
»Du tust mir weh«, sage ich, aber sie lässt mich nicht los, bis wir in ihrem Zimmer sind und sie die Tür hinter uns zuwirft.
»Ich hoffe nicht, dass du irgendwelche Dummheiten vorhast, Harper«, fährt sie mich an und ihre Augen blitzen wieder wild.
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Tu doch nicht so. Ich weiß genau, was dir gerade durch den Kopf geht.«
Wütend hebe ich die Hände. »Tja, das ist genau das Problem, das ich habe, Elsa, denn ich weiß nämlich absolut nicht, was gerade in deinem Kopf passiert. Vielleicht könntest du das ja endlich mal erklären!«
»Du wirst jedenfalls nicht mit der Polizei reden.«
»Das hast du nicht zu entscheiden, Elsa. Du kennst Nina jedenfalls besser, als du zugibst, und die Zettel sind nicht zufällig ausgewählt. Tobi und ich kennen ihren Nickname.«
Da wird sie blass, aber eine Antwort erhalte ich trotzdem nicht. Wie ein Laser richtet sich ihr Blick auf mein Gesicht, als könnte sie so direkt in mein Gehirn schauen, um herauszufinden, was darin vorgeht. »Ich verstehe nicht, warum du den ganzen Dreck aufwühlen musst,Harper. Das ist doch alles blödes Zeug. Wenn ich mich damit abfinden kann,
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