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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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Licht lasse ich an. Allein in dem alten Haus höre ich plötzlich Geräusche, die mir vorher noch nie aufgefallen sind. Schaben, Knarren, Knarzen. Von draußen dringt der Ruf eines Uhus herein und ich nehme mir ein Buch vom Nachtschrank. Obwohl ich hundemüde bin, will ich die Augen nicht schließen. In der Nacht klingt das Moor anders, seine Jäger singen andere Lieder als am Tag, und seine Oberfläche verwandelt sich in eine schwarze, spiegelnde Fläche, wie der Negativabzug eines zugefrorenen Sees. Irgendetwas lauert in der Nacht immer darauf, Beute zu machen, Eulen, Marder, die versunkenen Toten und vielleicht auch das Monster.
    Zwei Stunden später schrecke ich dann doch aus dem Schlaf auf, weil Mutsch die Treppe heraufkommt. Mein Nacken schmerzt, beim Lesen bin ich eingenickt und mein Kopf ist gegen das Bettende gesunken, während mir das Buch vom Schoß gerutscht ist und nun Eselsohren hat. Ein paar Mal streiche ich über die Seiten, aber das bringt nichts, dieses Buch ist für immer gezeichnet.
    Mutsch versucht, langsam und vorsichtig zu gehen, aber die alten Stufen knarren bei jedem Schritt. Als sie ins Zimmer kommt, sage ich: »Du brauchst nicht leise zu sein, ich bin wach«, und sie sieht mich entschuldigend an, als sie sich den Pullover über den Kopf zieht. Darunter trägt sie noch das Schlafanzugoberteil, ihre Bewegungen sind abgehackt, sie ist erschöpft, und kaum ist sie die Jeans losgeworden, macht sie das Licht auch schon aus und schlüpft unter die Decke. Dabei erwischen ihre kalten Füße meine und ich quieke auf.
    »Tut mir leid.«
    Einen Moment lang liegen wir still nebeneinander, bis ich in der Dunkelheit frage: »Und?«
    Sie seufzt. »Jemand hat eins von Billys Schafen getötet. Die Herde weidet im Sommer draußen, es war Zufall, dass er es jetzt schon bemerkt hat. Wenn er nicht noch mal nach einem verletzten Tier gesehen hätte, wäre es ihm erst am Morgen aufgefallen.«
    Bei dem Gedanken daran, wie der Täter einem lebendigen Tier mit einem Messer den Bauch aufschlitzt, graut mir.
    »Warum macht jemand so was?«, flüstere ich in die Schwärze des Zimmers, die jeden Schatten verschluckt.
    »Billy hatte recht, was die Leute im Ort betrifft. Sie sind aufgebracht wegen der Sache mit Elsa und dem anderen Mädchen. Die Emotionen kochen hoch, alte Geschichten spülen an die Oberfläche, und es gibt immer ein paar Idioten, die glauben, sie könnten aus Belanglosigkeiten einen Sachverhalt herauslesen.«
    »Und sie denken, dass es Billy war?«
    Sie dreht sich auf die Seite, und ich weiß genau, dass sie versucht, mich anzusehen. »Die Stimmung in der Stadt wird immer schlechter. Wenn solche Sachen passieren, sind die Leute schnell mit Verdächtigungen bei der Hand. Dann fällt ihnen ein, wen sie schon immer nicht leiden konnten und puff.« Sie macht eine Handbewegung, die wohl ein explodierendes Pulverfass symbolisieren soll. Im Dunkeln kann ich das aber nur schlecht erkennen. »Beim Bäcker haben sie heute erzählt, dass man den Täter bei solchen Sachen immer im Umfeld findet. Und der alte Kohlmann wettert die ganze Zeit gegen das Moor, das würde die Leute mit seinen Dämpfen verrückt machen. Halbwissen und Aberglaube.«
    Ich weiß, dass das mit den Dämpfen eigentlich Quatsch ist, trotzdem bekomme ich eine Gänsehaut. Das Moor ist sicher nicht dafür verantwortlich, dass jemand Elsa und Nina diese Sachen angetan hat, aber ich kann mich nicht dagegen wehren, dass ich mich frage, ob an der Sache doch etwas dran sein könnte.
    »Das arme Tier«, flüstert Mutsch. »Das ist eine Schande. Es sollte wohl eine Warnung sein. Die Polizei hält es für einen dummen Streich, die Tat von irgendwelchen Betrunkenen. Sie haben einen Beamten zu Billy geschickt, der sich dort mal umsieht, um weitere Überraschungen zu vermeiden. Gegen die Dummheit der Leute gibt es nun mal leider keine Gesetze.«
    »Aber er hat doch ein Alibi, er kann es doch gar nicht gewesen sein.«
    »Das wollen solche Menschen nicht wissen, sie suchen nur einfach einen Sündenbock, an dem sie ihren Frust auslassen können. Dabei ist das Ganze totaler Unsinn. Billy ist einfach nicht der Typ, der Menschen so etwas antut.«
    Nachdenklich drehe ich mich ebenfalls auf die Seite und lege den Kopf auf den angewinkelten Arm. Unsere Ellbogen berühren sich.
    »Du bist dir ja ganz schön sicher, was diesen Billy betrifft. Vor ein paar Tagen hast du noch gesagt, er wäre ein schlechter Umgang für mich.«
    »Das habe ich nicht. Ich sagte, du sollst

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