Aschenputtels letzter Tanz
dann solltest du das auch können.«
Aber ich habe Angst, dass das Monster seinen Hunger nicht allein an der Fee und der Eisprinzessin stillen konnte.
Ich schüttle heftig den Kopf. »Irgendetwas verschweigst du, und ich habe das Gefühl, dass es etwas wirklich Schlimmes ist. Vielleicht werden weitere Menschen angegriffen, willst du das?«
»Nein, aber ich glaube eben nicht, dass es weitere Überfälle gibt.«
»Warum bist du dir da so sicher? Weißt du etwa, was im Kopf dieses Monsters vor sich geht?«
Stur ballt sie die Hände zu Fäusten und versucht, mich niederzustarren. Sie wird mir nicht antworten, das kann ich deutlich spüren, und Verzweiflung packt mich wie eine Welle im Meer.
»Früher hast du dich mal für andere interessiert, du hättest nicht zugelassen, dass da draußen ein Verrückter rumläuft, der die Zehen von Menschen abschneidet.«
»Früher hatte ich auch noch nicht das da«, faucht sie mich an und deutet auf ihren Verband. »Vielleicht kannst du endlich mal begreifen, dass das kein Kinderspiel ist, Harper. Das war’s davor nicht, und das ist es jetzt auch nicht. Wenn dir wirklich etwas an mir liegt, dann lässt du diese Sache endlich auf sich beruhen.«
»Aber mir liegt was an dir! Hast du vielleicht Schwierigkeitenmit jemandem? Bist du in irgendwas verwickelt? Bekommst du deshalb diese Anrufe?«
»Ach, Harper, das ist doch keine Verschwörung. Was denkst du denn? Dass ausgerechnet hier in Mahnburg die Mafia Jugendliche in dunkle Geschäfte verwickelt? Du hast eine ganz schön blühende Fantasie …«
Plötzlich geht die Tür auf und Tante Luise steht im Zimmer. »Was schreit ihr denn hier so rum?«, fährt sie uns an, und schlagartig erstarrt Elsa.
Sie schlägt die Augen nieder und senkt den Kopf. »Es ist nichts.«
»Harper?« Tante Luise sieht mich scharf an.
Das ist der Moment, in dem ich mich entscheiden muss. Sage ich etwas oder nicht? Elsa sieht mich flehentlich an. Das erste Mal seit Beginn dieser Geschichte. Und obwohl sie mich angelogen hat, habe ich immer noch das Gefühl, dass ich sie schützen muss.
Weil wir beide den Atem des Monsters im Nacken gespürt haben.
»Es ist nichts«, wiederhole ich die Antwort.
Tante Luise zögert kurz, bevor sie schließlich tief ausatmet und Elsa vorwurfsvoll ansieht. »Weißt du, Schatz, ich habe ja Verständnis, dass im Moment alles ein bisschen schwierig für dich ist, aber es ist für uns alle nicht leicht. Es wäre also schön, wenn du etwas mehr Rücksicht nehmen könntest, in Ordnung?«
Elsa nickt, doch sie ballt die Fäuste dabei so fest zusammen, dass ihre Knöchel weiß werden. Tante Luisescheint das nicht zu merken; oder es interessiert sie nicht.
»Du kannst mir mit dem Einkauf helfen, Elsa«, sagt sie und wendet sich an mich. »Wir sind dann in einer halben Stunde wieder da.«
Nach einem letzten Blick folgt Elsa ihr, und ich stehe schon wieder frustriert in einem Zimmer, das nicht meines ist. Ich habe das Gefühl, dass ich kurz davor bin, die Antwort auf all meine Fragen zu erhalten, aber irgendwie schlüpfen sie mir immer wieder durch die Finger.
In diesem Augenblick vibriert in meiner hinteren Hosentasche mein Handy. Tobi hat mir eine SMS geschickt; die Telefonnummer hatte ich ihm bei unserem letzten Treffen gegeben. Ich soll ihn anrufen. Für ein paar tiefe Atemzüge schließe ich die Augen, bevor ich hinunter in die Küche gehe, wo Großmutter gerade dabei ist, einen Beschwerdebrief an die Krankenkasse zu schreiben. Die Kasse weigert sich, einen Kuraufenthalt für Elsa zu bezahlen, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Großmutters Brief beginnt mit der Anrede Sie rückgratloser Wurm von einem Bürokraten! und endet mit der Grußformel In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich mit einem Mindestmaß an höflichen Grüßen .
»Und du bist sicher, dass sie das«, ich zeige auf den Brief, »dazu bringt, die Kur zu genehmigen?«
Über den Rand ihrer Brille hinweg sieht mich Großmutter scharf an. »Wenn sie nicht wollen, dass ich dortpersönlich vorbeikomme, dann tun sie das besser, mein Kind.«
Manchmal denke ich, wir sollten Großmutter auf das Monster loslassen, danach ist es sicher brav wie ein Lamm.
»Kann ich mal das Telefon anstellen, ich muss jemanden anrufen?«, frage ich sie, während Großmutter den Brief eintütet.
»Du weißt doch, wo es steht.«
Ja, in der Speisekammer zwischen Kartoffeln und Zwiebeln.
Mit spitzen Fingern nehme ich den Apparat vom Regal und verziehe angewidert
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