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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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Entgeistert sehe ich sie an.
    »Nun ja, ich wollte unseren Fall ja möglichst ausführlich darstellen.« Sie nimmt mir den Brief wieder weg und legt ihn auf den Büfettschrank.
    Dann setzt sie sich an den Tisch und winkt mich zu sich. »Komm, setz dich einen Moment, Harper«, sie deutet auf den zweiten Stuhl ihr gegenüber. »Wir sind ja noch gar nicht dazu gekommen, uns ein bisschen zu unterhalten.«
    Eigentlich habe ich im Moment gar keine Nerven, mit ihr zu reden, aber wenn sie diesen Ton anschlägt, ist es keine Bitte. Also tue ich, worum sie mich gebeten hat.
    »Wie geht es dir so? Erzähl doch mal ein bisschen.«
    »Ganz gut.«
    Ihr Blick liegt skeptisch auf mir. »Mhm. Und wie läuft es in der Schule?«
    »Prima, vor allem im Biologieunterricht. Mutsch hat auch tolle Aufträge, alles bestens also.«
    Großmutter schnalzt mit der Zunge und verschränkt die Arme. Ihr Blick richtet sich zum Fenster, hinter dem noch immer die Schafe zu sehen sind.
    »Es tut mir leid, dass du das jetzt alles miterleben musst«, sagt sie.
    »Na ja, für Elsa ist es sicher schlimmer.«
    »Ja, die Umstellung ist nicht leicht. Aber sie ist stark, sie wird das schaffen. Da ist sie wie deine Tante Luise.« Sie sieht mich wieder an und ihr Blick wird abschätzend. »Deine Mutter war immer viel emotionaler als Luise, oder auch als ich. Da kommt sie nach deinem Großvater. Impulsiv.« Bekräftigend nickt sie, als würde es sich dabei um eine besonders bedauerliche Krankheit handeln. »Ich habe immer versucht, meine Kinder so gut wiemöglich auf das Leben vorzubereiten, sie haben ja jede Förderung erhalten, die sie brauchten. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass deine Mutter einmal unbedingt Klavier lernen wollte. Also haben wir unser letztes Geld genommen und einen Lehrer für sie engagiert.« Sie schüttelt den Kopf. »Aber Susan hat nur zwei Wochen durchgehalten. Dann war es ihr zu viel Arbeit und sie hat die Sache hingeschmissen.«
    Ich habe das Gefühl, ich müsste Mutsch verteidigen, deshalb erwidere ich: »Na ja, aber jetzt kommt sie echt prima zurecht, ich meine, sie verdient ja ganz gut, und in der Schule läuft's bei mir auch okay …«
    Großmutter unterbricht mich. »Ich hätte mir nie träumen lassen, dass eine meiner Töchter mal unverheiratet bleibt. Mit einem Kind. Das hätte es bei uns damals nicht gegeben.« Da scheint ihr aufzugehen, was sie gesagt hat, und sie fügt hastig hinzu: »Versteh mich nicht falsch, Harper, ich hab dich sehr lieb, das ist nicht der Punkt. Ich hätte mir nur gewünscht … Tja, das ist ja nun auch nicht mehr zu ändern.«
    »Zeiten ändern sich eben«, brumme ich trotzig und verschränke ebenfalls die Arme.
    Etwas irritiert sieht mich Großmutter an und wiegt dann langsam den Kopf hin und her. »Ja«, sagt sie beinahe nachdenklich, »das ist wohl wahr.« Dann schweigt sie, und weil ich auch nicht weiß, was ich noch erzählen soll, stehe ich auf und mache mich auf den Weg zurück ins Gästehäuschen.
    Inzwischen sind die Männer dabei, ihre Sachen wieder in den Autos zu verstauen, und Billy treibt die widerwilligen Schafe zurück in den Bruchwald. Es scheint ihnen ganz gut bei uns zu gefallen, denn das dickste Schaf verrenkt sich beinahe den Hals, als es noch einen letzten Bissen vom Gras nimmt.
    Ich frage Mutsch, ob ich ihren Rechner und das WLAN benutzen darf, und sie nickt geistesabwesend, während sie Billys Kaffeetasse in den Händen hält und sie verträumt anstarrt. Kopfschüttelnd gehe ich an ihr vorbei ins Haus. Ich hoffe nur, dass ich mich nicht mal genauso anstelle, wenn es mich so erwischt – das ist wirklich peinlich.
    Als ich den Laptop hochfahre, rauscht mir vor Aufregung das Adrenalin im Blut, und ich muss die Stichwörter mehrfach in die Suchmaschine eingeben, weil ich mich immer wieder vertippe. Doch nach ein paar Minuten finde ich endlich, wonach ich suche.
    Wieder lande ich auf dem Loginfenster. Aber diesmal habe ich die Liste mit Elsas Passwörtern. Nacheinander gebe ich ihre Mailadresse in Verbindung mit den Passwörtern ein, die auf dem Zettel zu finden sind. Es sind sieben an der Zahl und bei Nummer fünf werde ich fündig.
    Willkommen, Cinderella.



N ach zwei Stunden, die ich im Forum lese, habe ich das Gefühl, außerhalb meines Körpers zu schweben. Ich schaue darauf, wie meine Finger auf der Tastatur liegen, aber ich kann sie nicht dazu bringen, sich zu bewegen. Die Küchenuhr tickt laut vor sich hin, Sekunde um Sekunde, Minuten um Minute.
    Und das Monster

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