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Aschenputtels letzter Tanz

Aschenputtels letzter Tanz

Titel: Aschenputtels letzter Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Weise
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das Gesicht. Irgendetwas riecht hier vergammelt und dieser Geruch hat sich leider auch am Telefon festgesetzt. Während ich die Station wieder in die Buchse auf dem Flur stecke, halte ich mir mit der anderen Hand die Nase zu. Doch es ist ein bisschen schwierig, gleichzeitig zu reden und durch den Mund zu atmen, sodass mir nichts anderes übrig bleibt, als den Geruch zu ertragen.
    Anschließend gehe ich mit dem Funktelefon zurück in Elsas Zimmer, um von dort aus ungestört zu telefonieren, weil alle anderen im Erdgeschoss beschäftigt sind. Nach dem dritten Klingeln meldet sich Tobi; er klingt atemlos, als wäre er gerannt.
    »Ich habe herausgefunden, woher sich Nina und Elsa kennen«, beginnt er ohne große Begrüßung. »Es hat mich Stunden gekostet, das aus ihr herauszukriegen. Ichweiß wirklich nicht, warum sie sich so dagegen gesträubt hat …«
    Weil es Elsa auch tut?
    »Erinnerst du dich, ob Elsa vom Bürgermeister auch einen Präsentkorb bekommen hat? Für Nina wurde so was abgegeben.«
    »Ja, bei uns auch.«
    »Das liegt daran, dass es da so ein Begabtenförderprogramm der Stadt gibt. Jedes Jahr treffen sich die Schüler, die da drin sind, beim Bürgermeister zu einem großen Galaessen, als Auszeichnung sozusagen. Dazu wählt jede Schule ein paar Schüler aus. Sie müssen sich um irgendwas verdient gemacht haben oder besonders gut im Sport sein, oder einfach einen Topnotendurchschnitt haben.«
    »Ich kann mir was Spannenderes vorstellen, als zum Bürgermeister zu gehen …«, murmle ich.
    »Ja, aber das macht sich super in deinem Lebenslauf, für Universitäten und so. Die wollen ja immer solche Sachen sehen, damit sie wissen, dass du dich irgendwie hervorgetan hast.«
    »Mhm, ich hab mal eine Urkunde fürs Crosslaufen in der dritten Klasse gekriegt, zählt das auch?«
    Er schnauft amüsiert. »Glaube nicht. Jedenfalls haben sie sich dort letztes Jahr getroffen, im Rathaus. Ich kann mich sogar erinnern, dass Nina zu diesem Treffen eingeladen wurde. Weil sie das Gesicht einer Leseförderkampagne war, und die wohl gedacht haben, sie könnendas in der Zeitung bringen. Elsa war sicher wegen des Balletts dort.«
    »Das hat sie nie erwähnt. Warum wohl nicht?«, überlege ich laut.
    »Keine Ahnung, aber ich denke, dass die ganze Sache hier irgendetwas damit zu tun hat. Nina hat sich ganz eigenartig verhalten, als wir darüber gesprochen haben …«
    »Und Elsa will nicht, dass wir mit der Polizei reden. Irgendwas ist hier faul.« Grübelnd laufe ich im Zimmer auf und ab. Dabei fällt mein Blick wieder auf den Computer, der inzwischen noch weiter eingestaubt ist. »Vielleicht sollte ich mir mal das Forum vornehmen. Möglicherweise finde ich dort noch einen Hinweis.«
    »Wie willst du das machen? Wir wissen nicht mal, an wen wir uns wenden müssen, um die Zugangsdaten zu kriegen.«
    »Ich hab da eine Methode …«
    Am anderen Ende tritt Schweigen ein, aber ich weiß, was er denkt. Es ist eine Sache, Nina etwas zu fragen und auf Antworten zu drängen, eine völlig andere, ihre Forumsbeiträge zu lesen, die ganz offensichtlich geheim bleiben sollten. Aber ich bin auch immer noch wütend auf Elsa, weil sie mich so ausschließt und anlügt.
    Trotzdem habe ich Bauchschmerzen, als ich langsam nach dem Schneckenhäuschen greife und den Zettel herausziehe. Ich weiß, dass ich ihr Vertrauen missbrauche – und dass ich es nur tue, weil ich ihr helfen will,macht es nur halb wieder gut. Ich sehe meinen Schatten an der Wand den Kopf schütteln, aber ich bin schon zu weit gegangen, um auf ihn zu hören.
    Wir müssen das Monster aufhalten.
    »Ich melde mich bei dir«, sage ich zu Tobi, bevor ich auflege, das Telefon zurück zur Station bringe und es von der Leitung nehme. Dann schaffe ich es wieder an seinen Platz neben die Kartoffeln. In meiner Hosentasche wiegt der Zettel mit Elsas Passwörtern schwer.
    »Wie lange, denkst du, müssen wir das mit dem Telefon noch machen?«, frage ich Großmutter, die gerade den Brief auf der Hand wiegt, vermutlich um abzuschätzen, welche Briefmarke sie braucht. Warum sie dazu nicht die Küchenwaage nimmt, die hinter ihr steht, bleibt mir verborgen.
    »Würdest du sagen, dass das mehr als zwanzig Gramm sind?«, fragt sie mich skeptisch und hält mir den Brief entgegen.
    »Äh, keine Ahnung.« Auch ich lege ihn mir auf die ausgestreckte Hand, aber besonders schwer scheint er mir nicht. »Wie viele Blatt Papier hast du denn genommen?«
    »Fünf.«
    »Um eine Beschwerde einzureichen?«

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