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Aschenwelt

Aschenwelt

Titel: Aschenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timon Schlichen Majer
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mich daran erinnern?«
    Â»Bei mir ist es schon vierzig Jahre her, und ich weiß es noch immer«, behauptete der Doktor.
    Ich verdrehte die Augen. Ich wusste ganz genau, was mir als Kind am allerwichtigsten war, aber der Psychoheini würde es nicht erfahren, es ging ihn überhaupt nichts an. Ich tat so, als würde ich nachdenken und angestrengt in meiner Vergangenheit suchen, und dann sagte ich: »Nichts.«
    Uschasnik musterte mich aufmerksam, und ich hoffte, dass er keiner dieser Psychotherapeuten war, die eine Lüge in den Augen seines Gegenübers erkennen konnten. Er war darin geschult, argwöhnte ich. Aber ich war eine gute Lügnerin, also hatte ich nichts zu befürchten.
    Â»Wenn es dir wieder einfällt«, sagte er, »dann schau doch mal, ob du das mal wieder machen kannst, falls es beispielsweise ein Spiel war, oder eine Aktivität in der Natur. Oder, bei vielen ist es auch ein Gegenstand, ein Spielzeug. Vielleicht hast du es ja noch, dann schau es dir mal wieder an, entstaube es. Und vielleicht willst du es zur nächsten Stunde mitbringen?«
    Es wird keine nächste Stunde geben.
    Er lächelte mich sanftmütig an und schlug seine Beine andersherum übereinander. Er stützte seine Ellenbogen auf die Armlehnen seines Sessels, legte seine gespreizten Fingerspitzen aneinander und richtete seinen nachdenklichen Blick auf mich. Er wollte offensichtlich das Thema wechseln und musste sich konzentrieren, es auch richtig anzugehen. Ich behielt Recht. Aber er sprach etwas an, über das ich nicht mit ihm reden wollte. Er fragte mich, wie es Anne ginge.
    Â»Warum wollen Sie das wissen?«
    Â»Nun, sie ist deine Klassenkameradin, du bist darüberhinaus sehr eng mit ihr befreundet, wie deine Mutter mir berichtete. Sie scheint für dich sehr wichtig zu sein – für dein Leben.«
    Â»Das ist sie.«
    Uschasnik lächelte kaum merklich, schwieg und nickte einmal betont langsam. Ich hielt seinem Blick wortlos stand und beschloss, dass er über Anne und mich kein Sterbenswörtchen erfahren sollte.
    Uschasnik löste seine Fingerspitzen voneinander und streckte die Hände nach außen, ohne seine Ellenbogen von den Armlehnen zu nehmen. »Wie geht es ihr denn?«
    Â»Gut.«
    Â»Besucht sie dich jeden Tag?«
    Â»Ich glaube, das geht Sie nichts an.«
    Â»Da hast du wohl recht.« Uschasnik nickte wie in Zeitlupe. Das machte er ständig, ich hasste es.
    Â»Redet ihr manchmal über das, was geschehen ist?«
    Ich kniff die Augen zusammen. »Es ist nichts geschehen.«
    Zeitlupennicken.
    Ich wollte hier weg und schaute auf die Uhr. Erleichtert stellte ich fest, dass die Stunde eigentlich um war. Ich rutschte auf die vordere Kante meines Sessels und legte meine Hände auf die Lehnen. Da Dr. Uschasnik ein ausgebildeter Psychologe war, müsste er an meiner Körperhaltung unschwer erkennen können, dass ich aufstehen und gehen wollte. Tatsächlich entließ er mich und bat darum, zwei Tage darauf wieder zu kommen. Ich sagte ihm, dass ich darüber nachdenken müsse, schnappte meine Jacke und verließ mit einem knappen Gruß seine Praxis.
    Nach Hause. Vielleicht war es noch da, das Spielzeug, das mir als Kind am allerwichtigsten war. Als Dr. Uschasnik mich danach gefragt hatte, wusste ich es im selben Augenblick. Und ich meinte mich auch zu erinnern, wo es verstaut lag. Wenn es niemand genommen und fortgeworfen hatte. Obwohl ich den Psychoheini verabscheute und ich mir vorgenommen hatte, ihm nicht zuzuhören und vor allem nicht das zu tun, worum er mich bat, so war das Bedürfnis nach meinem alten Gefährten aus Kindertagen nun doch übermächtig in mir.
    Unser Haus ist nicht nur riesig, sondern auch uralt. Eine Villa aus der Biedermeierzeit, was gut zu meinen Eltern passte. Wenn ich es mir hätte aussuchen können, bevorzugte ich eine Villa im Bauhausstil, quadratisch, praktisch, gut. Oder, wenn schon alt, oder alt aussehend, etwas pompöses pseudoklassizistisches, mit dicken Säulen vor dem Eingang, als würden tagtäglich römische Senatoren ein und aus gehen. Aber unsere Villa ist bieder, langweilig, ekel erregend romantisch, mit der hellgelben Gipsfassade, den runden Erkern, dem Türmchen und den hölzernen Verzierungen an den Fensterläden. Zu allem Überfluss ließen meine Eltern die Außenwände mit Efeu beranken.
    Etwas Gutes hat dieses Haus aber trotzalledem: den Dachboden. In

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