Aschenwelt
hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Ganz und gar nicht stimmte.
Du gingst mit diesem Kerl zu einem Puff und durch den Hintereingang auch noch hinein. Ich wollte dir folgen, aber zwei bullige Typen haben mich zurückgehalten und was von privat gefaselt. Aber sie haben mir gesagt, wohin der Zugang führte, hinauf in die Glaswohnung, und nicht in den Puff. Wenn ich ficken wollte, meinten sie, soll ich den Vordereingang benutzen und möglichst viel Kohle dabei haben. Sie lachten dreckig. Naja. Ich wieder zurück auf die StraÃe und hab mich dort auf die Lauer gelegt.
Nach ungefähr einer halben Stunde erschien der Drogendealer wieder, allerdings alleine, ohne dich. Er trat auf die StraÃe und schaute sich um. Sah ganz so aus, als wollte er sichergehen, dass ihn niemand dabei beobachtete. Mich übersah er dabei. Ich war mir kurz unschlüssig, was ich nun tun sollte: Auf dich warten oder den Kerl zur Rede stellen, was er mit dir angestellt hat. Ich entschied mich dafür, den Kerl auszuquetschen. Ich rannte ihm hinterher, packte ihn und drückte ihn gegen die Wand, was kein Problem war, da er klapperdürr und schwächlich war.«
»Das wusste ich nicht, dass du den Typ verhauen hast!«, sagte Jo.
»Naja, verhauen nicht gerade. Angedroht hab ich es ihm, das schon. Obwohl ich sowas nicht kann. Und ich hatte Angst wie blöd. Aber irgendwie musste ich doch herausbekommen, was mit dir los war. Und das hab ich auch. Mein Körpergewicht alleine hat wohl ausgereicht, ihn zu überzeugen. Ich konnte nicht glauben, was er mir erzählte. Er sagte mir, wimmernd und mit rotztriefender Nase, dass er dich verkauft hat, an einen reichen Kerl. Er wusste aber nicht, was der mit dir vorhatte. Ich war geschockt und einen Moment nicht aufmerksam. Diesen Moment nutzte er, wand sich aus meinem Griff und haute ab. Ich war zu gelähmt, um ihm zu folgen und ging stattdessen wieder zurück zu dem Puff, worin du gefangen warst. Oben in der Glaswohnung, nahm ich an.
Naja, und dann bin ich zur Polizei und hab denen die ganze Geschichte erzählt. Und bis heute kann ich nicht glauben, was die dann gemacht haben. Nämlich nichts, gelacht haben sie und mir nicht geglaubt. Ich schaue zu viele amerikanische Filme und so.«
»Die Polizei, dein Freund und Helfer«, bemerkte Jo. »Da hab ich vor kurzem auch sowas erlebt. Unglaublich, echt.«
»Ja, die waren mir keine Hilfe. Ich bin dann wieder zurück zu dem Haus mit der Glaswohnung und hab versucht, irgendetwas zu sehen zu bekommen, vielleicht dich, oder den Kerl oder was auch immer. Aber ich konnte rein gar nichts sehen. Die Wohnung lag zu hoch.
Ich versuchte, in die anliegenden Häuser zu kommen, um aus gleicher Höhe reinschauen zu können. Aber keiner lieà mich rein, jeder lachte mich aus, als ich ihm erzählte, warum. Ich war also auf mich alleine gestellt. Ich wusste, ich musste dich so schnell wie möglich da rausholen, bevor dir etwas schlimmes zustoÃen würde.
Also hab ich all mein Geld zusammengekratzt, das ich hatte, hab mir davon Taschenlampe, Handschuhe, schwarze Klamotten, eine Skimaske und einen Dietrich gekauft. â Ãbrigens, das Geld dafür hab ich später von deinem Vater wiederbekommen. Das und noch einiges mehr. Ich wollte das nicht, aber er bestand darauf und wäre beleidigt gewesen, wenn ich es nicht genommen hätte. Er war echt ein klasse Mensch.« Kevin machte eine Pause und atmete tief durch.
Ihm war der Tod von Jos Vater vor zwei Jahren fast genauso nahegegangen wie ihr selbst. Vielleicht durchlebte er dadurch nochmals den Tod seines eigenen Vaters, dachte Jo damals wie heute.
»Hey, schon gut.« Jo legte ihre Hand auf Kevins, dem einige Tränen in den Augen standen. Er rang mit der Fassung. Dann räusperte er sich und zog die Nase hoch, bevor er weitererzählte.
»Ich hab gewartet, bis es ganz dunkel war. Das Licht oben in der Wohnung brannte noch ziemlich lange. Und mit jeder Minute, die ich verharren musste, schlug mir das Herz immer weiter den Hals hinauf. Als das Licht oben endlich ausging, schlich ich mich zum Hintereingang und war froh, dass die Sicherheitsleute dort nachts offensichtlich nicht standen. Ãber die hatte ich mir ehrlich gesagt gar keine Gedanken gemacht. Aber ich hatte Glück.
Ich nahm meinen Dietrich und versuchte mich an dem Schloss der ziemlich massiven Stahltür. Es ging nicht, ich bekam das Schloss nicht auf, obwohl ich so
Weitere Kostenlose Bücher