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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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violetten Flammen machen ihnen Angst.«
    Ich seufzte erleichtert auf, blieb aber auf der Hut.
    Ich hob den Kopf, um zwischen dem Geäst die Mondkuppel auszumachen. Kleine Aschefetzen fielen von den Ästen und rieselten auf uns herab wie Schnee.
    Ich zwang mich zu einem Lächeln, um Nate zu zeigen, dass ich seine Aufmerksamkeit schätzte. Er hatte recht: In diesem verbrannten Wald gab es nichts und niemanden außer uns beiden.
    Wir gingen zwischen den grauen, geborstenen Stämmen hindurch. Von einigen Wurzeln stiegen noch Rauchfäden auf, wahrscheinlich Nachwirkungen der violetten Flammen.
    Nate hielt sich an den Bäumen fest, ging nach rechts und nach links, um das Terrain zu sondieren. Ich beteiligte mich nicht an seiner Erkundung, sondern beobachtete lediglich seine Bewegungen. Seine Technik war interessant anzusehen, als wisse er genau, wo er suchen musste. Fast wie ein wildes Tier.
    »Komm, sieh dir das an!«, rief er irgendwann.
    Ich ging zu ihm. Er kauerte neben einem dicken Stamm.
    Als er sich wieder aufrichtete, hatte er einen Papierdrachen in der Hand. Man konnte noch ein paar Spuren bunter Farbe erkennen, mit denen man ihn einmal verschönert haben musste.
    Er hielt ihn mir hin.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Ein Drachen. Damit haben Kinder Spaß. Sie lassen ihn steigen«, antwortete ich zerstreut.
    »Was heißt ›Spaß haben‹?«
    Seine Frage ließ mich aufhorchen.
    »Spaß haben …«, stammelte ich und rieb mir die Hände. »Wenn man etwas tut, was einen freut, dann hat man Spaß.«
    Nate lächelte, als habe er begriffen.
    »Dann bist du spaßig«, sagte er und seine Augen lachten.
    Die Farben in seinem Blick liebkosten mein Gesicht. Ich war sprachlos. Bestimmt wurde ich wieder rot, doch dieses Mal tat er so, als würde er es nicht bemerken. Er lachte und machte sich weiter auf die Suche.
    »He!«, rief ich laut. »Lass mich hier nicht allein!«
    Aus der Entfernung sah ich, wie er sich umdrehte und mir mit der Hand ein Zeichen machte, ihm zu folgen.
    Ich stieg über Wurzeln und fächerte mir mit der Hand Luft zu. Die Asche rieselte noch immer von den Bäumen herunter und drang mir in Augen und Rachen.
    Als ich ihn eingeholt hatte, sah ich, dass er in eine Baumkrone blickte. Auch ich hob den Kopf und staunte.
    Da war ein Holzhäuschen. Ein Baumhaus, wie Kinder es als Zuflucht benutzen. Es war auf zwei großen Ästen gebaut und hatte unten eine Falltür, die man über eine Leiter erreichen konnte.
    Ein Rauschen ließ mich herumfahren.
    »Was war das?«, fragte ich Nate, der noch immer wie verzaubert das Baumhaus betrachtete.
    Ich spähte aufmerksam zwischen den Stämmen hindurch. Nichts regte sich, vielleicht hatte ich es mir nur eingebildet. Ich wollte mich schon wieder beruhigt umdrehen, als ich eine Bewegung wahrnahm und erschrak. Wenn da wirklich nichts war, dann hatten mich nicht nur meine Ohren, sondern dieses Mal auch meine Augen getäuscht. Ich hatte einen Schatten gesehen. Etwas, das auf der Erde gekauert hatte und nun auf einen Baum gesprungen war.
    »Nate!«, schrie ich.
    Er drehte sich um.
    »Thara, das wird ein Ast gewesen sein, der gebrochen ist. Keine Angst, hier ist nichts.«
    Ich wollte ihm gern glauben.
    »Gehen wir lieber ins Baumhaus«, sagte ich und lief zu ihm hinüber.
    »Okay.«
    Wir kletterten über die Sprossen, die an den Stamm genagelt waren.
    Als Nate drin war, reichte er mir die Hand und half mir hinauf. Ich fühlte mich leicht wie eine Feder. Mir war gar nicht klar gewesen, wie stark er war.
    Ich schob mich durch die Falltür und schloss sie.
    Wir setzten uns auf den Boden und lehnten uns mit dem Rücken an zwei verschiedene Wände.
    Nate wirkte ruhig und sah sich interessiert um.
    »Hier gibt es eine Menge bunte Sachen«, sagte er und betrachtete das verbrannte Spielzeug.
    Ich hoffte nur, dass kein Kind umgekommen war …
    Nate hob einen Kreisel auf und begutachtete ihn, als gehörte er zu einem außerirdischen Raumschiff. Er war ganz versunken. Wer weiß, in welchen Windungen seiner Erinnerung er gerade grub?
    Ratlos legte er ihn wieder auf den Boden. Ich bedeutete ihm, mir den Kreisel zu geben. Ich stellte ihn richtig hin und stieß den oberen Teil an, sodass er anfing, sich zu drehen.
    Nate sah fasziniert zu, bis das kleine Ding schließlich stehen blieb.
    »Das ist ein Kreisel!«, rief er.
    »Ja«, sagte ich mit einer gewissen Befriedigung.
    »Ich erinnere mich daran!«
    Nates Feststellung, die wie ein Bergquell aus ihm herausgesprudelt war, freute uns beide

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