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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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weg. Es passte mir nicht, für verrückt gehalten zu werden. Mir war klar, dass ich ziemlich viel von ihr verlangte, es war schwer zu glauben, was mir zugestoßen war. Aber es hätte mir schon genügt, wenn sie mir zugehört hätte, ohne mich zu verspotten. Schließlich veranstaltete ich keinen Schildkrötenzirkus und hatte Christine auch noch nie angelogen. Aus Trotz wollte ich etwas sagen, was sie ebenfalls in Verlegenheit brachte.
    »Mir scheint, Leo steht nicht nur auf die Serie, sondern auch auf dich …«
    »Was?«, rief sie, und auf einmal hatte ich ihre ganze Aufmerksamkeit.
    »Ja, komm schon! Das sieht man doch sofort, dass ihr euch mögt.«
    Genervt zog sie die Augenbrauen hoch und richtete ihre Zöpfe.
    »Also bitte! Ich und diese Amöbe! Ich habe höhere Ansprüche.«
    Verschwörerisch beugte ich mich zu ihr und sagte mit gedämpfter Stimme: »Jetzt komm, gib zu, dass er dir ein bisschen gefällt.«
    Christine fuhr ruckartig herum.
    »Ist ja schon gut, ist ja schon gut! Ich glaube dir: Du riechst an den Blumen und plumpst in eine Aschewelt, wo ein wunderschöner Junge mit bunten Augen lebt. Ich glaube alles, aber hör jetzt endlich damit auf!«
    Zufrieden stand ich auf.
    Ich wusste, dass sie es nicht ernst meinte, aber zumindest hatte ich meine kleine Revanche bekommen. Und früher oder später würde ich auch Beweise haben.
    »Hast du Lust, nachher mit mir in die Buchhandlung zu gehen?«, fragte ich. »Ich will Bücher von diesem Ray Pitbury besorgen.«
    Christine zog sich ein frisches T -Shirt an.
    »Aber wir haben Leo doch versprochen, in Charles’ Kino zu gehen.«
    »Das machen wir ein andermal. Oder heute Abend. Komm schon!«
    Sie kapitulierte. »Von mir aus«, sagte sie. »Du musst einen Vater suchen, und ich habe einen Gutschein über zwanzig Prozent Rabatt einzulösen. Auch gut.«
    Während wir durch die Flure gingen, schrieb Christine eine SMS an Leo: dass wir noch etwas erledigen müssten und uns später treffen würden. An einer Ecke sah ich Clive am Spind lehnen, er bohrte in der Nase. Angewidert wandte ich den Blick ab, aber was ich dann zu sehen bekam, war auch nicht besser: Esteban, der sich mit der Suarez unterhielt. Es sah aus, als hegten die beiden eine gewisse Zuneigung füreinander. Wenn zwei »Terminators« überhaupt Zuneigung empfinden konnten.
    Christine knurrte. Als die beiden uns sahen, fingen sie an zu lachen.
    »Wir werden ja sehen, ob Jennifer noch lacht, wenn diese Fotos heimlich in der Schule in Umlauf gebracht werden!«, flüsterte Christine.
    Kurz vor dem Ausgang trafen wir unseren Lateinlehrer Calinger, und ich versuchte nach Kräften, einem Gespräch mit ihm aus dem Weg zu gehen. Wenn er mich fragen würde, wie meine Nachhilfe gelaufen war, würde ich nicht wissen, was ich ihm antworten sollte.
    Wir verließen die Schule und nahmen den Bus ins Stadtzentrum.
    Die Schiebetüren der Buchhandlung öffneten sich von selbst, ganz ohne Zauberworte. Es war die größte in der Stadt. Wenn man ein Buch suchte, fand man es mit großer Wahrscheinlichkeit dort.
    Wir stiegen ins Untergeschoss hinunter und gingen zur Kasse. Uns bediente ein Junge, der kaum älter war als ich und von Büchern nicht viel mehr als die Umschläge kannte.
    »Ray Pitbury«, sagte ich und zeigte ihm meine Notizen. »Das schreibt man so.«
    Er fuhr sich über die Stirn und gab mit der anderen Hand den Namen des Autors in den Computer ein.
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um einen Blick auf den Monitor zu erhaschen, doch der Typ drehte ihn ein wenig zur Seite, um mich daran zu hindern.
    »Nichts. Nicht mehr lieferbar. Aber gerade ist Der Wilddieb der Hängegleiter erschienen, falls es dich interessiert.«
    Ich bedankte mich mit zusammengekniffenen Augen, und wir gingen. Von diesem Kerl hätte ich mir nicht mal den Weg zum Klo zeigen lassen!
    Zurück auf der Straße beschlossen wir, es bei den Filialen der beiden anderen großen Ketten hier in der Gegend zu versuchen, aber auch dort waren die Bücher von diesem Ray Pitbury bis in alle Ewigkeit nicht mehr lieferbar.
    Als Christine sah, wie entmutigt ich war, schlug sie vor, in der Buchhandlung unter den Arkaden nachzufragen. Das war unsere letzte Chance.
    Die Buchhandlung befand sich ein Stück weiter vorne in einer Passage. Seit ich mich erinnern konnte, waren die Schaufenster immer dreckig gewesen, und dahinter hatten Bände gestanden, deren Titel man nicht lesen konnte.
    Als wir die Tür öffneten, klingelte über unseren Köpfen ein Messingglöckchen.

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