Ascheträume
mich und umarmte sie.
An ihrer Stelle hätte ich mich wahrscheinlich in die klappernden Kiefer der Aschemenschen geworfen, wenn ich hier gefangen gewesen wäre. Daher wollte ich ihr zu verstehen geben, dass sie immer mit meiner Hilfe rechnen könnte.
Ich wollte mich gerade auf den Weg machen, als die kleine Penny, nachdem sie sich von mir verabschiedet hatte, etwas sagte, auf das ich mehr hätte achten sollen.
»Käpt’n Hook hat meinen Hasen gestohlen! Anscheinend hat er das Krokodil gefressen.«
Ich lächelte ihr zu und sah Susan an, weil ich dachte, dass sie mir vielleicht erklären konnte, was ihre kleine Schwester damit meinte. Aber Susan schüttelte nur den Kopf, was hieß, dass ich mir keine Gedanken darüber machen sollte.
Ich verabschiedete mich und schlug die Richtung ein, die sie mir gezeigt hatte. Ich wusste nicht, wie weit ich durch die Dünen gehen musste. Vor mir sah man Hunderte von Metern nichts, aber nach all den Erfahrungen, die ich mittlerweile an diesem Ort gesammelt hatte, war ich mir fast sicher, dass ich die Bibliothek finden würde. Wie es schien, tauchten die Dinge immer dann vor mir auf, wenn ich sie suchte, als sei dieser ganze Raum nur ein Trugbild.
Und tatsächlich erschien die Bibliothek wie eine Fata Morgana aus dem Nichts.
Sie lag versteckt in einem kleinen Tal, das vollständig von Dünen umgeben war, als sei es darin versunken. Es sah wirklich so aus, als könne die Asche jeden Moment an den Flanken hinabrutschen und alles komplett überschwemmen.
Als ich den Hang zum Haupteingang hinunterstieg, spürte ich einen Stich im Herzen.
Ich sah auf einen Blick, um welche Bibliothek es sich handelte.
»Großer Gott!«, entfuhr es mir leise, als ich die sechzehn Sphinxe sah, die den Weg säumten.
Dahinter, vor einer mindestens zwanzig Meter hohen Mauer, ragten zwei gigantische Pharao-Statuen auf dem Thron auf, die mit gleichmütigem Blick über das Portal wachten.
Es war die Bibliothek von Alexandria.
»Das kann ich nicht glauben«, flüsterte ich.
Nach Tausenden Jahren war ich die Erste, die diesen mythischen Ort besuchen durfte. Dort lagerte das gesamte Wissen der Antike, der Hochkulturen, die mittlerweile untergegangen waren. Ich hatte die unglaubliche Möglichkeit, Quellen einzusehen, die schon lange vom Erdboden verschwunden waren.
Ich trat durch das Portal. Vor lauter Aufregung stolperte ich fast über meine eigenen Füße. Überwältigt von einer enormen Macht, ging ich an den Riesenstatuen vorbei, die das Portal flankierten.
Gleich dahinter lag ein geschlossener Innenhof, umgeben von so vielen Säulen, dass man sie gar nicht zählen konnte.
Dass dieses Wunderwerk in vergessenen Zeiten ein Raub der Flammen geworden und zerstört worden war, überstieg jede Vorstellungskraft. Das Gebäude wirkte unverrückbar wie ein Fels, auf jedem einzelnen Mauerstück konnte man Hieroglyphen erkennen.
Hysterisches Lachen begleitete meine Schritte durch die Bibliothek der Bibliotheken. Ich war so aufgeregt, dass ich mich am liebsten auf den Boden geworfen hätte. Doch während ich noch jubilierte und mich daran ergötzte, mir zu überlegen, welchen Trakt ich als Erstes besuchen sollte, traf mich etwas an der Seite.
Ich fuhr herum. Angst hatte ich nicht, denn ich hatte ein kurzes Lachen gehört.
»Nate!«, rief ich schmunzelnd, während er sich hinter einer Säule versteckte.
»Da kommt noch einer!«, schrie er, lugte wieder hervor und beschoss mich mit einem Ascheball.
Er traf mich am Schenkel.
»He!«
Nate grinste dreckig.
»Das macht man nicht in einer Bibliothek!«, sagte ich im Spaß.
Ich sah, dass er einen weiteren Ascheball formte, um mich erneut anzugreifen.
»Na gut, wenn du Krieg willst …«, sagte ich und bückte mich.
Dieses Mal warf er daneben, und ich schoss zurück.
Nate wälzte sich auf dem Boden wie auf einem Schlachtfeld.
»Bleib stehen! So kann ich dich ja nicht treffen!«
Ich lief ihm entgegen, um mich hinter einer Säule zu verstecken und ihn von hinten anzugreifen, aber als ich dort ankam, war er weg. Ein Ascheball traf mich am Rücken.
»Na komm, streng dich ein bisschen an!«, spottete er.
Ich nahm die Herausforderung an.
Wir rannten zwischen den Säulen und den antiken ägyptischen Statuen umher und bewarfen uns mit Asche, als hätte es gerade geschneit. Nate war außerordentlich gut gelaunt. Ich hatte schon seit Jahren keine Schneeballschlacht mehr gemacht und amüsierte mich prächtig dabei, ihm nachzujagen und den Schüssen auszuweichen,
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