Ascheträume
verfärbte sich und platzte auf, als hätte ich in einen Hochofen gefasst. Ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte einen Schrei, der in der Lage gewesen wäre, die Bibliothek über uns einstürzen zu lassen.
Nate wich entsetzt zurück.
»Es tut mir leid, Thara, ich wollte nicht …«
Aber der Schmerz war zu stark, das Brennen schien nicht aufhören zu wollen. Meine ganze Hand brannte, und von den Fingerspitzen lösten sich kleine Fetzen.
Ich krümmte mich, als ich spürte, wie der Schmerz plötzlich nachließ und meine Haut wieder Farbe bekam. Ich konnte die Finger bewegen, und kurz darauf, war alles wie vorher. Mit weit aufgerissenen Augen stand ich da, bis nur noch der Schreck geblieben war.
Ich konnte den Kopf nicht ganz drehen, aber ich schaffte es so weit, dass ich Nate in die Augen blicken konnte.
»Keine Sorge!«, sagte ich angesichts der Aufregung, in die ich ihn versetzt hatte. »Vielleicht war es das Buch.«
»Nein!«, rief er und machte ein paar Schritte rückwärts. »Das war ich! Ich hab’s genau gesehen.«
Unter Schmerzen richtete ich mich wieder auf.
»Na gut. Vielleicht warst du es, aber das Buch muss irgendetwas damit zu tun haben, sonst wäre uns das ja schon früher passiert. Nimm es!«, sagte ich und versuchte, die letzten Stiche des Schmerzes zu ignorieren.
Nate zögerte. Vielleicht fürchtete er, dass etwas noch Schlimmeres passieren könnte, aber am Ende nahm er der Statue das Buch dann doch aus der Hand.
Er schlug es auf.
Ich stellte mich neben ihn, aber Nate rückte von mir ab, um mich nicht noch einmal zu berühren. Ich tat so, als würde ich es nicht merken.
Auf der Seite, die er aufgeschlagen hatte, sah ich eine komplizierte Zeichnung. Ich konnte mich nicht genug konzentrieren, um sie zu verstehen, aber ich begriff sofort, dass es ums Cinerarium ging. Die Aschewelt war deutlich abgebildet.
Als ich sah, dass der Text auf Lateinisch geschrieben war, wurde ich gleich viel aufmerksamer.
»Nate«, sagte ich leise, »das hier kann uns vielleicht vieles erklären.«
»Kannst du das lesen?«
»Ich glaube ja.«
Ich warf einen letzten Blick auf die Statue, sie erwiderte ihn mit dem dünnen Lächeln, das sie sich durch die Zeiten hindurch bewahrt hatte. Ich schloss die Augen.
Vielleicht war es noch schmerzhafter, zurückkehren zu müssen …
Den ganzen Morgen über betrachtete ich immer wieder meine Hand, als wäre sie nicht mehr Teil von mir. Ich hatte noch immer das Gefühl, sie könnte zerfallen, weil sie den Wind meinen Knochen vorzog.
Ich gesellte mich erst in der Mittagspause wieder zu Leonard und Christine. Während der Unterrichtsstunden hielt ich mich absichtlich zurück. Meine Freundin hätte mir sicherlich Fragen gestellt, und ich war nicht bereit, ihr darauf zu antworten.
In der Mensa setzten wir uns an den gewohnten Tisch unter der Empore.
An diesem Tag aß ich ganz normal und trank nur wenig Kaffee. Ich wollte mich in einem Zustand der Schläfrigkeit halten, um nicht nachdenken zu müssen. Das tat ich nur, wenn es mir wirklich schlecht ging. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre zu Hause geblieben.
»Thara«, sagte Christine irgendwann und stocherte in dem Hackbraten auf ihrem Teller herum. »Ich habe über das nachgedacht, was du mir gezeigt hast … Das, was gestern passiert ist. Ich habe auch mit Leo darüber gesprochen.«
Ich sah meinen Freund an. Er wirkte genauso ernst wie Christine.
»Wir glauben dir«, sagte er. »Und du sollst wissen, dass du unsere ganze Unterstützung hast.«
Bei diesem Satz schnürte sich meine Brust zusammen, und ich spürte, wie meine Augen feucht wurden. Die beiden waren wirklich die besten Freunde, die ich mir wünschen konnte.
»Danke, Leute. Die habe ich auch bitter nötig!«
Christine lächelte. Vielleicht wollte sie mir etwas sagen, vielleicht wollte sie mich etwas fragen, was ich ihr gerne beantwortet hätte, aber ein Mikrofon pfiff, und wir hielten uns die Ohren zu.
Der Lärm in der Mensa war größer als sonst.
Wir drehten uns um, um zu sehen, was da los war. Schweigen senkte sich über den Saal.
Esteban stand auf der Empore.
Er umklammerte das Mikro und blickte aufgeregt auf die Tische herunter.
Keiner wusste, was er vorhatte, aber in Anbetracht dessen, was er sonst immer so von sich gab, konnte es nichts Gutes sein.
Jennifer Suarez lächelte. Vielleicht erwartete sie eine Liebeserklärung. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst.
Esteban klopfte aufs Mikro, und aus den Lautsprechern neben
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