Ascheträume
Auch er merkte es, aber er blickte mich weiter an, und klopfte die Flammen nur mit der Hand aus.
Dann sprach er.
»Thara«, zischte er. »Thara.«
Er wusste, wer ich war. Mein Herz hämmerte, als wolle es aus meinem Brustkorb springen.
»Ich würde deinen Geruch überall erkennen. Er ist genau wie seiner«, sagte das Feuerwesen. »Es war schlecht, dass du in die Asche gekommen bist. Schlecht für dich. Gut für mich.«
Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm, aber wenn ich schon in Kauf nehmen musste, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte, wollte ich wenigstens wissen, wer er war und warum er mich töten wollte.
»Wer bist du?«, fragte ich.
Die Flammen loderten hinter seinem Rücken auf, als wären sie ein Vorhang, durch den das Böse blies.
Der Mann, der mit dem Feuer kam, machte noch einen Schritt auf mich zu, sodass ich ihn besser erkennen konnte. Deutlich sah ich seine dunklen Lippen, hinter denen sich zwei Reihen kleiner, spitzer Zähne verbargen.
»Ludkar. Das müsstest du eigentlich wissen.«
Ich lehnte mich an die Wand. Er verschränkte die Arme auf dem Rücken und legte den Kopf auf die andere Seite. Wieder fielen ihm die Haare ins Gesicht.
»Nein? Warum sollte ich?«, fragte ich leise und drückte mich an die Wand.
»Ich und dein Vater haben noch eine Rechnung offen«, sagte er hasserfüllt. »Sag ihm, ich weiß jetzt, wer du bist und wo ich dich finde.«
Was? Was hatte diese Kreatur mit meinem Vater zu tun? Was wollte sie damit andeuten?
»Mein Vater ist tot!«, schrie ich.
Ludkar blieb stehen. Ich sah, dass seine Schultern zitterten. Als würde er lachen. Ja. Er lachte wirklich.
Er hob den Kopf und runzelte die Stirn.
Sein weißes Gesicht, das nach Weihrauch roch, schob sich vor meines. Seine kohlschwarzen, weit aufgerissenen Augen besahen sich forschend mein Gesicht. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, während er auf eine Reaktion von mir lauerte, als wäre ich eine Beute, die schon verloren war.
»Klar«, zischelte er wie ein leibhaftig gewordener Albtraum. »Als könnte dein Vater sterben!«
Ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Ich schloss die Augen und schrie.
Ich spürte, wie meine Haut gefror, und stellte mir vor, so würde es sich anfühlen, wenn man starb. Aber als ich die Augen wieder aufmachte, sah ich, dass es nur das Löschwasser war, das von der Decke regnete.
Ludkar war verschwunden, das Wasser floss durch den Flur und zeigte mir den Weg zur Treppe, über die ich mich retten konnte. Ich rannte los, ohne hinter mich zu blicken. Ich hatte Angst, das Wesen aus der Hölle könne mir folgen und mich foltern, bevor es mich endgültig erledigte.
Ich fand die Brandschutztür und riss sie auf. Die eiserne Feuertreppe dröhnte bei jedem Schritt. Ich rannte so schnell hinunter wie nur möglich, und merkte erst unten, dass ich weinte.
Mir kam ein Gedanke, der selbst die Angst ungewiss werden ließ. Ludkar war der attraktivste Todesbote, den man sich vorstellen konnte. Wenn es stimmte, dass Teufel gefallene Engel waren, dann hatten sie sich ihre Schönheit definitiv bewahrt.
Ich taumelte zu den anderen, die sich im Hof versammelt hatten. Meine Beine gehorchten mir nur schlecht, ich kam mir vor, wie an Fäden gezogen. Die Schüler hatten sich neben die Löschfahrzeuge gestellt und sahen zu, wie Wasser auf das Gebäude gespritzt wurde.
Ich drehte mich um.
Das Feuer verschlang das ganze Gymnasium.
Die Flammen züngelten aus den Fenstern, und kurz war mir, als würde ich Ludkar wie einen Seiltänzer über das Dach laufen sehen.
Dann spürte ich, wie ich fest umschlungen wurde.
Es waren Christine und Leonard.
»O Thara«, sagte meine Freundin mit Tränen in den Augen. »Wir dachten schon, du würdest es nicht schaffen …«
»Danke, dass du gekommen bist, um mich zu suchen«, sagte Leo. »Aber ich habe diese SMS nicht geschrieben.«
»Ich weiß«, sagte ich und trocknete mir das Gesicht ab.
Es war Ludkar.
»Geht’s dir gut?«, fragte Christine und fuhr durch mein nasses Haar. »Zum Glück ist alles vorbei!«
Ich sah ihr mit einer solchen Entschlossenheit in die Augen, dass sie erschrak.
»Nein«, sagte ich. »Es hat gerade erst angefangen.«
Schon seit einer Weile war mein Leben nicht mehr dasselbe, aber es braucht immer Zeit, bis man eine Veränderung bemerkt. Erst wenn man bis zum Hals drinsteckt, begreift man, dass sich alles verändert hat und nie mehr so werden wird wie früher.
Am Tag, als unsere Schule in Flammen aufging und ich Ludkar zum
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