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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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Christine. »Das Feuer scheint uns zu verfolgen. Was für ein Scheißort!«
    »Ja … Das Feuer scheint uns wirklich zu verfolgen«, wiederholte ich.
    »Und du meinst, hier lebt dein Vater?«, fragte Leo.
    »Hier hat er gelebt, bevor er meine Mutter kennengelernt hat. Das hat Charles gesagt, und ich habe es in Alle Farben der Dunkelheit gelesen. Vielleicht ist er hierher zurückgekehrt, nachdem meine Mutter ihn verlassen hatte und er verrückt geworden ist.«
    »Meinst du, er ist gefährlich?«, fragte Leo weiter.
    »Besser, ich gehe allein rein.«, erwiderte ich.
    Christine stemmte die Hände in die Hüften.
    »He! Du kannst uns nicht um Hilfe bitten und uns dann hier draußen stehen lassen!«
    Ich lächelte sie an.
    »Also gut.«
    Wir gingen zu dem, was einmal das Portal gewesen sein musste, inzwischen stand es nur noch zur Hälfte.
    Kaum hatten wir es passiert, überkam uns ein unheimliches Gefühl. Die Schatten schienen uns die Geschichte des Schlosses in kleinen, kaum wahrnehmbaren Details zuzuflüstern. Kalte Schauder krochen uns an den Beinen hinauf, als würden große Nadeln aus dem Boden ragen und uns pieken.
    Auch im Inneren war von der ursprünglichen Pracht wenig erhalten. Fast überall war das Dach eingefallen, und durch die großen Löcher sah man den Himmel. Bündel von Lichtstrahlen fielen senkrecht herab, sie schienen die Säulen zu ersetzen, die zertrümmert auf dem Boden lagen, und zeichneten einen Weg auf den abgewetzten Marmorboden. Wir folgten ihm.
    In der finsteren Stille, die uns umgab, hallten Leos Worte wider und dämpften unfreiwillig die Spannung: »Ich mach mir gleich in die Hose!«
    Ich blieb stehen und drehte mich um.
    »Vielleicht sollten wir uns trennen.«
    »Soll das ein Witz sein?«, rief er etwas zu laut.
    Der Schall löste ein paar Steine von der Decke, die neben uns aufschlugen.
    Christine warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
    »Ist ja schon gut: Besser wir trennen uns«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen und fuhr leiser fort: »Also, im Horrorfilm ist es immer so: Die Helden trennen sich, und das Monster macht einen nach dem anderen fertig.«
    »Darf ich dich daran erinnern, dass du gerade vom Vater deiner Freundin sprichst?«, flüsterte Christine und nahm ihn am Arm. »Thara, wir treffen uns wieder hier, wenn wir fertig sind.«
    Ich war einverstanden und wartete, bis sie hinter den Säulen verschwanden. Dann drehte ich mich um.
    Hinter mir befand sich eine große gelb-violette Glastür.
    Ich musste an Nate denken. Vielleicht war es doch besser, gleich mit ihm zu sprechen. Außerdem hatte ich beim Betreten des Schlosses das Gefühl gehabt, dass es unbewohnt war und ich meinen Vater hier nicht finden würde. Wenn Kolor genau wie Ludkar ein Vampir war, hätte er mich mit Sicherheit gerochen und wäre gekommen.
    Also näherte ich mich den Iris und dachte an Nate. So konnte ich sicher sein, in seiner Nähe aufzutauchen. Ich betrachtete die Blumen, sie waren wunderschön. Wie sie mich in einen solchen Albtraum hatten hineinziehen können, war mir immer noch ein Rätsel.
    Der Duft drang durch meine Schläfen.
    Ich stürzte in mich selbst hinein.
    Langsam schlug ich die Augen auf.
    Ich war im Schloss.
    Es war dasselbe Schloss, auch wenn es anders aussah: Alles, was in der realen Welt gefehlt hatte, war hier vorhanden. Christine hatte recht gehabt – es war abgebrannt.
    Ich sah mich um. Der Bodenbelag, den es in der wirklichen Welt noch gegeben hatte, war durch den üblichen grauen Sand ersetzt worden, die Asche. Die Decke war nicht durchlöchert, sondern vollständig erhalten. Es gab Treppen, Balken, Möbel – alles, was in der realen Welt in Flammen aufgegangen war.
    Es war, als hätte man zwei Stücke desselben Puzzles vor sich. Und wenn man die Teile, die es im Cinerarium gab, mit denen in der realen Welt zusammenfügte, bekam man ein perfektes Schloss.
    Ich machte mich auf die Suche nach Nate. Er musste in der Nähe sein, denn bevor ich eingeschlafen war, hatte ich an ihn gedacht.
    Hinter den Mauern sah man Dünen und Gebäude. Ich ging zum Portal und wollte draußen nach ihm suchen, als ich plötzlich ein Rauschen hörte und mich umwandte. Es klang wie eine Buchseite, die umgeblättert wurde.
    Und da saß er auf der Treppe.
    Er hob langsam den Kopf, und seine tausendfarbigen Augen lächelten mich an.
    »Nate!« Mit schleppenden Schritten ging ich durch die Asche auf ihn zu. »Was machst du hier?«
    Als ich bei ihm war, sah ich, dass er das Buch Alle Farben der

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