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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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greifen, aber als er meine Haut berührte, zog er sie schnell wieder zurück. Mir wurde eiskalt.
    »Dann glaubst du wirklich, dass ich im Koma liege?«
    »Ich bin mir absolut sicher«, bestätigte ich mit gedämpfter Stimme. Dabei wünschte ich mir, er würde mich anfassen, auch wenn ich wusste, wie weh es mir tun würde.
    »Ich war in dem Krankenhaus, wo Penny und Susan liegen.« Ich sah ihn an und wartete auf eine Reaktion, aber vielleicht hatte er nicht verstanden, was ein Krankenhaus war. »Ich habe gesehen, dass du der Kleinen Peter Pan geschenkt hast«, sagte ich schließlich.
    Nates Gesicht verdunkelte sich. Vielleicht hatte er doch verstanden oder er dachte nach.
    »Ich wollte mich vergewissern, dass es ihnen gut geht.«
    Ich nickte zustimmend.
    »Dennoch gibt es keine andere Erklärung dafür, dass du hier bist«.
    »Und warum erinnern sie sich an das, was passiert ist, und ich nicht?«
    Er drehte leicht den Kopf zu mir.
    »Ich weiß es nicht.« Diese Frage traf mich gänzlich unvorbereitet. »Aber wenn du mir irgendeinen Hinweis auf deine Vergangenheit geben könnest, könnte ich recherchieren und vielleicht herausfinden, wie es dir in der wirklichen Welt geht.«
    Nate schaute zu Boden, und langsam erloschen die Farben seines Blicks.
    »Tut mir leid. Hinter diesen Augen steht nur Leere.«
    »Das kann ich nicht glauben!«
    Wir schwiegen eine Weile. Ich hoffte schon, er würde es gut sein lassen, als seine Lippen genau die Frage formten, vor der ich mich gefürchtet hatte: »Hast du herausgefunden, was beim letzten Mal passiert ist?«
    Ich schluckte.
    »Was?« Ich war dumm, wenn ich geglaubt hatte, ich könnte der Antwort entgehen.
    »Thara, du hättest dich fast in einen Grauen verwandelt.«
    Kneifen würde nun auch nichts mehr bringen.
    »Ach, das meinst du …« Ich kratzte mich nervös am Hals. »Also ehrlich gesagt … ja.«
    Ich zerbrach mir den Kopf nach klugen Worten, mit denen ich es ihm erklären konnte. Seltsamerweise erschienen mir meine Gefühle, auch wenn sie von ihm erwidert wurden, nackt und roh. Wenn ich sie einfach so hinausposaunte, würde ich vielleicht ihren Gehalt zerstören.
    »War es das Buch?«, fragte er, als ich nicht weitersprach.
    »Nein«, sagte ich leise. »Wir waren es.«
    »Ich?«
    Ich schlug die Augen nieder.
    »Nein, wir.«
    Mein Hals fühlte sich an, als habe er Mühe, meinen Kopf weiter zu tragen. Meine Schläfen pochten. Meine Sinne schienen mich in genau dieser Sekunde zu verlassen, doch nichts geschah. Ich verharrte in der Schwebe wie eine Nadel, die zusticht, aber nicht ins Fleisch dringt.
    »Was jetzt?«, fragte Nate. Er schlug Alle Farben der Dunkelheit zu und legte das Buch zwischen uns.
    Ich holte tief Luft und suchte nach Worten, die mir aus meiner Verlegenheit heraushelfen würden. Auch wenn das Wort »Verlegenheit« unter diesen Umständen wohl fehl am Platz war.
    »Es ist …«, stotterte ich, »… es hat etwas mit … Gefühlen zu tun.«
    »Mit unserer Freundschaft?«, fragte Nate gleich.
    Dieser Begriff drückte mir die letzte Luft aus den Lungen. Freundschaft. Nate hatte »Freundschaft« gesagt. Was bedeutete das? Meinte er damit etwas anderes? Oder hatte er eine unüberwindliche Grenze zwischen uns gezogen? Aber nein, unmöglich. Im Buch stand, wer liebte, würde … War ich es? War nur ich diejenige, die liebte? Nein, auch er liebte mich, ich war mir sicher. Er wusste nur nicht, wie er es ausdrücken sollte. Das war die Antwort.
    Traurig sagte ich: »Ja, unsere Freundschaft …«
    Nate merkte, dass etwas nicht stimmte. Ich ließ noch immer den Kopf hängen und sah, wie er seine Hand ganz leicht anhob, als wollte er mir über den Rücken streicheln. Ich hob den Kopf, aber nicht weit genug, um ihm ins Gesicht zu sehen.
    Dann hörte ich ihn sagen: »Du bist der einzige Mensch, den ich in all den Jahren getroffen habe. Und du bist so nett zu mir. Mir geht es gut mit dir. Ich habe das Gefühl, dass die Wunde in meinem Herzen ein wenig vernarbt ist, seit ich dich kenne.« Er hielt inne, um zu sehen, wie ich reagierte. »Es ist wirklich schrecklich, dass ich dich nicht mehr umarmen kann.«
    Diese kleine Aufmerksamkeit hätte sich normalerweise positiv auf meinen Seelenzustand auswirken sollen, aber es war nicht genug, um mich erleichtert lächeln zu lassen. Ich drehte den Kopf und sagte zärtlich: »Ich mag dich auch.«
    Er blickte mich aus zwei bunten, leicht zusammengekniffenen Spalten an.
    Langsam stand ich auf, ich konnte nicht länger neben ihm sein.
    Nate

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