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Ascheträume

Ascheträume

Titel: Ascheträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Temporin
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applaudierte leise und tat so, als sei er begeistert.
    »Schön zu wissen, dass wir gemeinsame Interessen haben.« Er zog die Augenbrauen hoch, um dem letzten Teil seines Satzes Nachdruck zu verleihen. »Dann können wir ja etwas zusammen machen.«
    Nate war so angespannt, dass ich mich zu ihm umdrehte, bevor er noch etwas sagen konnte. Seine Augen nahmen einen erhitzten, aggressiven Glanz an. Fühlte er sich bedroht oder fürchtete er, Ludkar könne uns gefährlich werden?
    »Thara, das ist ein böser Typ!«, sagte er wütend, merkte jedoch selbst, dass er dafür keine stichhaltigen Argumente hatte.
    »Ha, vernünftig wie immer!«, sagte Ludkar, ohne ihm wirklich Beachtung zu schenken. »Nur weil ich ein Vampir bin. Das nennt man Diskriminierung.«
    »Wenn Thara nicht gesteigerten Wert darauf legt, sich mit einem Mörder anzufreunden«, fuhr Nate mit finsterstem Blick fort, »sehe ich nicht, was sie mit einem wie dir gemeinsam haben könnte.«
    Ludkar drehte den Kopf auf die andere Seite und ließ die Haare baumeln.
    »Eine gewagte Behauptung!« Er näherte sich mir, sprach aber weiter mit Nate. »Wusstest du, dass ihr Vater ein Vampir ist? Thara hat mehr mit meiner Wenigkeit gemeinsam als mit dir. Und meiner Meinung nach ist der Böse derjenige, der einen anderen gefangen hält, und nicht der Gefangene.«
    Damit meinte er eindeutig meinen Vater. Ich fühlte mich in der Tat ein wenig verantwortlich für seine Situation und wusste es zu schätzen, dass er mir gegenüber keinen Groll hegte.
    »Er wird seine Gründe haben, warum er dich gefangen hält«, sagte Nate mit Nachdruck.
    Ludkars schwarzer Mantel flatterte, als würde der Vampir gleich das Gleichgewicht verlieren.
    »Sicherlich«, gab er zurück, während mir der starke Weihrauchgeruch in die Nase stieg. »Seine Grausamkeit.« Er blickte zur Decke. »Entschuldige, Thara, aber ich nenne die Dinge gern beim Namen.«
    Ich hatte den Eindruck, dass wir nichts erreichten, wenn wir so weitermachten. Ludkar und Nate hätten sich noch endlos Gemeinheiten an den Kopf werfen können.
    Dabei hatten sie gar keinen Grund, sich zu hassen.
    Höchstens mich, aber das erschien mir einfach lächerlich.
    »Hört zu«, sagte ich und hob jäh die Hand. »Ich will euch beiden helfen.« Ich sah Ludkar an, der sich gedankenverloren die nächste Stichelei zu überlegen schien. »Ich werde meinen Vater in der wirklichen Welt suchen und dir sagen, wo er ist, und du verrätst mir, wie man aus dem Cinerarium herauskommt.«
    Ich beobachtete Nate und dachte, er würde mir zustimmen. Meiner Ansicht nach hatte ich das einzig Richtige gesagt.
    Doch Ludkar hob den Finger und schwenkte ihn wie ein Metronom hin und her.
    »Nein. Nein. Nein. So läuft das nicht.« Er sah Nate an, ließ sich aber nicht anmerken, dass er ihn herausforderte. »Ich werde es dir sagen, wenn ich deinen Vater gefunden habe. Es ist mein Körper.«
    »Vergiss es, Thara«, sagte Nate scharf. »Ich bleibe lieber hier, als dem hier etwas schuldig zu sein.«
    Ich seufzte. Ich hatte es wirklich satt, Zeit und Kraft damit zu vergeuden, die beiden in Schach zu halten. Hätte Nate den Mund gehalten, wären wir nun nicht an diesem Punkt angelangt. Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Ich wollte ihm doch nur helfen! Und Ludkar war unser Ass im Ärmel.
    Der Vampir bekam wieder diesen beunruhigenden, verdutzten Blick, wie immer, wenn er zu einem Angriff überging.
    »Ich verstehe nicht …«, zischte er und verzog sein schönes Gesicht. »Du müsstest mich eigentlich mögen – schließlich durchleiden wir dieselben Qualen und haben denselben Henker.«
    Das war’s. Da war der Pfeil. Ich spürte, wie er in mich eindrang und jeden Teil meines Körpers durchschlug.
    »Denselben Henker?«, fragte ich und machte einen Schritt auf ihn zu.
    Was wollte er damit sagen?
    »Dein Vater hat diesen Jungen getötet«, sagte Ludkar mit der größten Selbstverständlichkeit.
    Nates Hass schien kurz zu verfliegen, als er versuchte zu verstehen.
    »Getötet?«, fragte er.
    »Nate liegt im Koma, er kann nicht tot sein«, sagte ich, um Ludkar zu beweisen, dass wir wussten, wie die Dinge in dieser Welt funktionierten.
    Ludkar schien sich über meine Bemerkung zu freuen.
    »Du bist ein kluges Mädchen«, sagte er und blieb eine Weile ohne ersichtlichen Grund auf einem Bein stehen wie eine Ballerina ohne Schuhe. »Das stimmt in gewisser Weise. Aber Nate ist ein Fall für sich.« Er balancierte mit ausgestreckten Armen. »Er war das Opfer eines Vampirs. Wenn

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