Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
die Augen zufielen und er kurz darauf von aufrecht laufenden Krokodilen und gebrochenen Männern träumte.
Kapitel 4
»Ash, das musst du dir anschauen!«
»Geh weg, ich bin tot.«
»Nein, steh auf!«
»Hau ab.«
Lucky machte sich an den Jalousien am Fenster zu schaffen und öffnete sie lautstark. Ash stöhnte genervt auf, als die verrosteten Stahllamellen schrill quietschten.
»Eine gute Schwester würde ihren großen Bruder ausschlafen lassen.« Er warf einen Blick auf die Uhr. Sieben. Sieben! Und das in seinen sogenannten Ferien. »Aber ich schätze, da kann man nichts machen, wo du ja adoptiert bist und so.«
»Ich bin nicht adoptiert!«
»Aber klar doch. Wir haben dich im Müll gefunden. Mum und Dad wollten dich ja eigentlich an Organhändler verschachern, aber ich hab sie davon abgehalten. Du solltest mir dankbar sein. Und jetzt verschwinde.«
»Jetzt schau endlich, Ash!« Lucky zog ihm die Bettdecke weg. »Guck!«
Nie hörte sie auf ihn. Ash gab sich also geschlagen, krabbelte aus dem Bett und stellte sich zu ihr ans Fenster.
In der Einfahrt stand ein Auto, was komisch war, weil sie keins besaßen. Noch komischer war, dass es ein brandneuer, blitzblanker silberner Mercedes S-Klasse war.
»Savage«, murmelte Ash.
»Wahnsinn, oder?« Lucky war schon an der Tür. »Na, komm schon.« Sie flitzte nach draußen und Ash folgte ihr widerwillig.
Onkel Vik wohnte auf dem Gelände der Universität von Varanasi in einem Bungalow mit rosa Wänden – eine »Sonderzulage« zu seinem Angestelltengehalt. Leider war es eher ein insektenverseuchter Schuhkarton aus Beton ohne Klimaanlage als ein gemütliches Haus. Als Ash ins Freie trat, bemerkte er ein paar Dutzend Studenten, die sich entlang der niedrigen Gartenmauer versammelt hatten. Nicht wenige schossen mit ihren Handys Fotos von dem Auto. Die meisten Dozenten der Universität fuhren noch immer nur Fahrrad und jetzt stand hier ein supernobler Mercedes.
»Eine Wucht«, jubelte Onkel Vik, der auf dem Fahrersitz Platz genommen hatte. Das Armaturenbrett war vollständig mit Walnussholz verkleidet, hatte ein Navigationssystem mit 3D-Bildschirm, ein Multimediasystem und allen anderen protzigen Schnickschnack. In den Rückenlehnen der Vordersitze prangten Fernsehbildschirme – ein paar Extras mehr und der Wagen hätte ein NASA-Logo verdient gehabt. »Als ich aufgewacht bin, stand er einfach so da.«
Ash verspannte sich. Savage war hier gewesen, während sie alle geschlafen hatten. »Hast du … jemanden gesehen?«
»Nein. Aber der Wärter hat gesagt, dass die Frau aus England den Wagen abgeliefert hat.«
Jackie. Wenigstens war sie nicht reingekommen.
»Nimmt das nicht überhand?«, warf Tante Anita ein. Sie klang besorgt. »Vielleicht solltest du ihn zurückgeben, Vikram.«
»Den gebe ich erst wieder her«, Onkel Vik packte das Lenkrad noch fester, »wenn man ihn mir aus meinen kalten, toten Händen reißt.«
Lucky öffnete die Beifahrertür und hüpfte auf den weißen Ledersitzen herum.
»Ash, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, fragte Onkel Vik.
Es war einfach nicht richtig, das Auto, das ganze Geld. Savage hatte seinen Onkel gekauft und das machte Ash krank. »Ich muss erst mal frühstücken.«
In der Küche schüttete er Cornflakes in eine Schüssel, während Tante Anita Wasserkocher und Toaster einschaltete.
»Weißt du, er stirbt«, sagte Onkel Vik.
Den Löffel wenige Millimeter vor dem Mund hielt Ash inne. »Wer?«
»Lord Savage. Er hat eine Hautkrankheit – Krebs. Einer der Gäste hat es mir gestern Abend erzählt.«
Tante Anita füllte Wasser in die weiße Teekanne aus Porzellan. »Meinst du, diese ganze Angelegenheit hat etwas mit seiner Krankheit zu tun?«
»Er will der Nachwelt etwas hinterlassen. Er will, dass in seinem Namen etwas Großes vollbracht wird«, meinte Onkel Vik, während sein Blick zum Fenster und zu dem Auto draußen wanderte. »Schließlich kann er das Geld ja nicht mitnehmen, oder?«
»Trotzdem, zwei Millionen Pfund, Vikram. Das ist nicht normal.«
Onkel Vik küsste seine Frau auf die Stirn. »Wer weiß schon, was für einen Mann wie ihn normal ist? Was Lord Savage will, ist Unsterblichkeit. Und wenn diese Ausgrabungen erfolgreich sind, dann bekommt er sie. Man wird sich bis in alle Ewigkeit an ihn erinnern – als denjenigen, der die Geheimnisse einer ganzen Kultur gelüftet hat. Dafür scheinen mir zwei Millionen nicht mal viel.«
»Und du wirst auch reich und berühmt, Onkel«, prophezeite Lucky.
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