Ash Mistry und der Dämonenfürst (German Edition)
mit der Zunge über die trockenen Lippen, dem einzigen äußeren Anzeichen seiner Furcht, dann folgte er der Spinnenfrau.
Die Tür führte in einen langen Flur, in dessen Ecken und Mauerspalten Spinnweben klebten, in denen fette schwarze Spinnen hockten, die Ash mit unzähligen glänzenden Augen anstarrten. Sie krabbelten über die Wände und verfolgten ihn.
Die Fenster waren schon vor langer Zeit zugemauert worden und sämtliche Möbel waren von einer flauschigen Staubschicht überzogen. An den Seiten reihten sich Gemälde auf, versteckt unter dem Dreck von einem oder auch zwei Jahrhunderten.
Trotz des Schmutzes erregte ein Porträt, das erste und größte, Ashs Aufmerksamkeit. In Lebensgröße blickte Savage aus der weit entfernten Vergangenheit auf ihn herab, eine Hand hatte er auf den Gehstock mit dem Tigerkopf gestützt, in der anderen hielt er eine Mohnblume. Mohnblumen und das Opium, das daraus gewonnen wurde, hatten Savage reich gemacht, indem er die Droge im neunzehnten Jahrhundert an die Chinesen verkauft hatte.
Das Haar des Aristokraten, das er verwegen offen trug, war hellblond und schulterlang. Im Hintergrund entdeckte Ash auf einem Tisch ein Paar Handschellen, eine Erinnerung daran, dass Savage nicht nur ein Drogen-, sondern auch ein Sklavenhändler gewesen war. Seine Haut war nicht nur weiß, sondern bleich, bar jeder Farbe oder jeden Lebens. Wäre da nicht das lodernde Feuer in seinen blauen Augen gewesen, hätte man ihn ebenso für eine Leiche halten können, doch diese Augen funkelten vor Macht und Arroganz.
Ash schaute sich die aufgereihten Gemälde an. Es waren mindestens zehn, alle aus unterschiedlichen Epochen. Das jüngste zeigte Savage in der Uniform eines britischen Offiziers aus dem Zweiten Weltkrieg. Sein Haar war grau und sein Rücken gebeugt und er schien den Gehstock inzwischen nicht nur zur Zierde zu nutzen. Er wirkte um die sechzig oder siebzig, obwohl er eigentlich schon weit über zweihundert gewesen war. Nur in seinen Augen lag noch immer dasselbe kalte, rücksichtslose Leuchten.
»Warum ist nie jemand auf die Idee gekommen, dass es immer derselbe Mann ist?« Jetzt, da er diese Porträts nebeneinander vor sich sah, schien es mehr als offensichtlich.
»Lord Savage ist viel auf Reisen: Afrika, der Ferne Osten, der amerikanische Kontinent. Er bleibt jahrzehntelang fort, damit er bei seiner Rückkehr niemanden mehr vorfindet, der sich noch an ihn erinnert. Zumindest keinen, der nicht dieselben Geschäfte macht.«
Ash hielt kurz inne. »Warum arbeiten Sie für ihn? Sie sind doch eine Rakshasa – warum folgen Sie einem Menschen?«
»Lord Savage ist weit mehr als ein gewöhnlicher Mensch.« Sie lächelte und Ash lief ein Schauer über den Rücken, als krabbelte eine der Spinnen über seine Haut. »Und er gibt uns, was wir wollen.«
Licht fiel in den Flur, als sie die Flügeltür am hinteren Ende öffnete. Ash betrat eine der Kuppeln am Rand von Schloss Savage, mit Blick auf den Ganges. Drei Ruderboote schaukelten auf den Wellen an derselben Stelle, wo er gemeinsam mit seiner Tante und seinem Onkel in jener ersten Nacht auf der Party angekommen war. Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein.
Der Himmel über ihm war missmutig grau und voller Gewitterwolken. Am Horizont zuckten wie gezackte Klingen schon erste Blitze. Der Wind hier draußen, entlang der hohen Brüstungsmauern, war kräftig und schneidend – der Monsun war im Anmarsch.
Sie liefen auf einen kleinen Pavillon aus weißer Seide zu. Die Stoffwände hatte man aufgezogen und an die vier Stützpfeiler gebunden. Darunter stand ein gedeckter Tisch mit feinstem Porzellangeschirr und um ihn herum drei Stühle. Zwei Personen schauten ihnen entgegen.
Die erste war Mayar, der wieder seine menschliche Gestalt angenommen hatte. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er da, während seine Augen vor dämonischer Wut funkelten. Er knirschte mit den Zähnen, was sich wie das Schleifen von Rasiermessern anhörte, die gewetzt wurden, und Ash um ein Haar die Nerven verlieren ließ.
Der zweite Anwesende thronte in einem Stuhl aus Schmiedeeisen und trug einen eng geschnittenen weißen Anzug. Die Hände locker auf das silberne Besteck gelegt, wartete er geduldig.
»Komm, mein Junge.« Er hob die Hand, woraufhin Mayar einen der zwei anderen Stühle vom Tisch zurückzog. »Du musst am Verhungern sein. Ich habe ein typisch englisches Frühstück zubereiten lassen. Dachte mir, dass du gerne etwas aus der guten alten Heimat essen
Weitere Kostenlose Bücher