Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
erhobenen Schwänzen erstarrt. Beide Wasserspeier standen wie Salzsäulen da, je einen Fuß in der Luft.
Zornig erhob Savage seinen Stock. »Ich habe euch einen Befehl gegeben!«
Doch sie alle standen still wie – na ja, wie Statuen eben, dachte Ash.
»Ihr Zauber wirkt nicht mehr«, stellte Ash fest.
»Nein, er wurde aufgehoben«, sagte Savage und drehte den Gehstock in den Händen, während er zum Eingang spähte. Hätte Ash es nicht besser gewusst, hätte er glauben können, dass Savage etwas besorgt wirkte. Vielleicht sogar ein wenig ängstlich.
Was lauerte dort drinnen? Etwas, das mächtiger war als Savage?
Ash hatte bereits die Hälfte der Treppe hinter sich gelassen. Trotz der Bedrohung, die von dem Palast ausging, konnte er einfach nicht widerstehen. Er war viel zu neugierig. Wie könnte er sich das entgehen lassen? Ravanas Palast zu betreten, war wie ins Herz der Zeit vorzudringen. Hier hatten die Menschen die Herrschaft über die Erde erlangt. Alles, was folgte, die Tausende von Jahren menschlicher Zivilisation und Herrschaft, waren an diesem Ort entschieden worden. Was lag hinter diesen Mauern?
Fünfzehn Meter vor dem Eingang hielt Ash inne. Seine Augen konnten das Zwielicht hinter der Tür nicht durchdringen, doch er fühlte –
Im Innern heulte einer der Hyänen-Rakshasas auf. Es folgte ein Zischen, dann plötzliche Stille.
Kurz darauf rollte der Kopf des Dämons ins Freie. Erst langsam, dann immer schneller kullerte er die Stufen hinab und besudelte den Marmor mit Blut, bis Savage ihn mit dem Stiefel stoppte.
»So ein Jammer«, sagte er und blickte in die toten Augen. »Eigentlich mochte ich ihn ganz gern.« Damit kickte er den Kopf die letzten paar Stufen in die Tiefe.
Ash atmete den verlöschenden Geist des Rakshasas ein. Dies war der Tod und er schmeckte süß. Energie flutete seine Glieder und sein Herz schwoll an. Der Duft des vergossenen Lebenssaftes ließ ihn hungrig grinsen. Ash zog das Katar.
Er stieg durch die blutigen Pfützen und schlich in Ravanas Palast.
Kapitel 44
»Hallo?«, sagte Ash.
Hallo. Hallo. Hallo.
»Jemand zu Hause?«
Hause. Hause. Hause.
Seine Stimme hallte in den Tiefen des Palastes wider. Ash spürte eine gähnende Weite vor sich. Kalte Luft umwehte seinen Körper und säuselte im Raum über ihm. Wer konnte schon sagen, wie hoch die Decke war? Die Säulen, die sich in die Höhe schraubten, wurden von der undurchdringlichen Schwärze über Ashs Kopf verschlungen. Jede war einzigartig, einige stämmig, andere schlank, in manche waren filigrane Muster und Bilder gemeißelt, andere waren gesichtslos, dafür aber durchzogen farbige Schlieren ihren Marmor.
Ash wagte sich einige Schritte weiter, woraufhin sich Kälte um ihn legte. Gänsehaut bedeckte seine nackten Glieder und wenn er atmete, bildeten sich frostige kleine Wölkchen vor seinem Mund, als würde er seine Seele aushauchen.
Hinter Ash betraten Savage und Jackie den Palast. Wenig später folgten auch die zwei übrig gebliebenen Hyänen-Rakshasas und schnupperten an der blutigen Spur, die ihr toter Gefährte hinterlassen hatte. Savage hielt in der Linken die Pistole, in der Rechten seinen Stock. Jackie strich in halb verwandelter Gestalt umher, noch immer auf zwei Beinen, doch leicht gebückt, mit einem breiten, muskulösen Oberkörper und dicken, pelzigen Armen. Das Klacken ihrer langen Zehennägel auf dem Marmorboden verursachte schaurige Echos.
Durch verborgene Fenster, weit oben in den Wänden, fiel diesiges perlweißes Licht in die Halle. Glitzernde Staubkörnchen trudelten in der kühlen Brise und brachten Bewegung in die Dunkelheit, als das Trio hindurchschritt. Savage verharrte kurz neben Ash und reichte ihm stumm eine Taschenlampe. Vor der kopflosen Leiche der Hyäne blieben sie stehen. Fell und Muskeln waren blutdurchtränkt und die Wirbelsäule war fein säuberlich herausgetrennt worden.
»Wo ist die andere?«, flüsterte Ash.
»Schaut«, antwortete Jackie.
Auf dem Boden führten Krallenabdrücke bis zu einem finsteren Durchgang. Anscheinend war etwas davongeschleift worden … wie zum Beispiel ein Hyänen-Rakshasa. Die beiden, die noch lebten, wimmerten und zogen die Schwänze ein.
Ein Jammern ertönte. Die Wände splitterten wie Eis und Ash erkannte wirbelnde Bilder in ihrem Inneren. Der Stein begann, sich zu wölben und zu wachsen, als sich von innen Gesichter gegen seine Oberfläche pressten. Finger, krumm und gebogen, reckten sich ihnen in tiefer Verzweiflung entgegen. Münder
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