Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
Muskeln schrumpften, bis sein Pelz bloße Knochen bedeckte, bevor auch die Haut dünner wurde und bröckelte. Innerhalb von Sekunden lag nur noch ein Skelett vor ihnen und selbst das fiel krachend in sich zusammen, wurde zu Staub, von einem Windhauch erfasst und davongeweht.
»Wir müssen ans andere Ende gelangen, ohne die falschen Fliesen zu berühren«, stellte Savage fest. »Bemerkenswert einfach, wenn man die richtige Abfolge kennt.«
»Und, kennen Sie die?«
»Leider nicht.« Er betrachtete den Boden. »Fünfzig Fliesen je Seite, vier Seitenteile, fünf Abschnitte. Insgesamt genau tausend Fliesen und vermutlich sind gerade mal eine Handvoll davon sicher. Sobald man ihn betritt, wird der Korridor außerdem erneut rotieren, also muss man seine Schrittfolge perfekt darauf einrichten, weil man sonst aus dem Gleichgewicht kommt, die falsche Fliese berührt und zerfällt.«
Ash stieß einen langen Pfiff aus. »Damit hatte ich es schon mal zu tun.«
Savage machte ein überraschtes Gesicht. Dann lächelte er. »Ah, in einem deiner früheren Leben, ja?«
»Nein. In einem alten Dungeons and Dragons -Spiel: Das Uhrwerk-Labyrinth. Das war ein echter Albtraum – ständig hat sich die Karte verändert und die Fallen sind an neuen Orten aufgetaucht. Dabei hab ich meinen Ritter, Stufe zehn, verloren.«
Savage blickte Ash stumm an, als hätte der nicht mehr alle Tassen im Schrank. Keine einzige Tasse. Dank Joshs Zauberer hatte Ash das Labyrinth damals überlebt. Und auch diesmal schien das Glück auf seiner Seite, denn zufällig hatte er einen waschechten Zauberer neben sich.
»Können Sie uns nicht auf die andere Seite teleportieren?«, fragte Ash. »So haben wir das Labyrinth damals geschafft.«
Savage runzelte die Stirn. »Aus demselben Grund, weshalb ich meine Loha-Mukhas vorhin nicht mehr befehligen konnte, kann ich im Augenblick auch nicht den Raum kontrollieren. Etwas blockiert meine Kräfte.«
Damit war die Dungeons and Dragons -Lösung also den Bach hinunter. Ash lächelte dem letzten Hyänen-Rakshasa zu. »Viel Glück.«
Winselnd wich der Dämon ein Stück zurück, den Schwanz tief zwischen die Beine geklemmt.
Savage betrachtete Ash und tippte anerkennend mit dem Stock gegen seine Absätze. Ash gefiel das ganz und gar nicht. »Was ist?«
»Du hast dich verändert, Ash. Du hast eine bemerkenswerte Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden anderer entwickelt. Dieses Verhalten ist mir durchaus bekannt, hauptsächlich von psychopathischen Killern. Doch bei einem Kind ist mir das bisher kaum untergekommen. Ich bin in der Tat zutiefst beeindruckt.«
»Das stimmt nicht«, schnappte Ash. »Mir sind jede Menge Leute wichtig.«
»Gerade eben hast du miterlebt, wie ein lebendiges, fühlendes Wesen auf ziemlich grausame Art den Tod gefunden hat. Zuvor bist du an einem kopflosen Hyänen-Rakshasa vorübergelaufen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Bereitet dir das auch nur im Ansatz Kopfzerbrechen? Nein, du reißt sogar Witze. Ich frage mich: Warum bist du hier?«
»Um den Koh-i-Noor zu erwecken. Um Gemma zurückzuholen.«
»Wirklich? Was hast du für sie empfunden? Ist sie dir tatsächlich wichtig oder geht es dir vielmehr darum, deine Schuldgefühle zu lindern? Es schmeckt dir nicht, versagt zu haben, und das ist es, was wehtut – nicht Gemmas Tod. Du willst dich nur besser fühlen. Sie selbst ist dir egal.«
»Das ist nicht wahr.« Savage versuchte, ihn zu manipulieren. Doch als Ash zu der sich krümmenden Hyäne lugte, fühlte er, wie ihm die Schamesröte in die Wangen stieg und ein schlechtes Gewissen sich in ihm breitmachte. Der Dämon hatte Angst und Ash hatte sich darüber lustig gemacht. Was hatte Ujba gesagt? Dass er sich von allen Schwächen, wie Mitgefühl, reinigen sollte. Er warf Savage einen grimmigen Blick zu und schauderte bei dem Gedanken daran, dass der Engländer recht haben könnte.
Savage lächelte. »Und du nennst mich ein Monster?«
Kapitel 45
Zum dritten Mal in drei Minuten trocknete Ash seine Handflächen an seiner Hose ab. Angespannt starrte er in den langen, dunklen Gang und lauschte auf das leise, traurige Wispern des Winds, der ihm ins Gesicht blies. Der Schein der Taschenlampen reichte, um die ersten zehn Meter auszuleuchten – dahinter glitzerte nur hier und da der uralte Schleim auf den Fliesen. Er warf einen Blick über die Schulter. Savage, Jackie und der Hyänen-Dämon sahen ihm neugierig zu. »Ich seh euch dann auf der anderen Seite«, sagte er und trat auf die erste
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