Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
Hölle gemacht und dich hat er gehasst. Ujba war nur ein fieser Gangster.« Ash erinnerte sich gut an diese Tage, gefangen in der schwülen Hitze des Ausbildungsraumes im Lalgur, tief unter der Erde.
»Interessante Bezeichnung für Ujba, aber höchst passend«, sagte sie.
»Letzte Nacht habe ich Elaine angerufen«, berichtete Ash. »Ich musste einfach. Sie hatte mir gesagt, dass Rishi ihr ein paar Namen von Leuten gegeben hat, die mir helfen können, falls etwas schiefläuft.«
Parvati runzelte kurz die Stirn, doch dann blickte sie ihn neugierig an. »Und was hat sie gesagt?«
»Gar nichts, es ging immer gleich die Mailbox ran. Aber heute Morgen habe ich eine SMS von ihr bekommen. Eine Adresse. Kennst du sie?«
Parvati warf einen Blick auf den Bildschirm und nickte. »Das ist gar nicht weit von hier.«
»Ich fühle mich, als würde ich mich selbst gerade irgendwie verlieren. Hier drin sind so viele Leute«, er tippte sich gegen den Kopf, »und alle schreien durcheinander. Die Träume sind so real, so brutal. Sie werden immer schlimmer und ich habe Angst, dass ich eines Tages aufwache und herausfinde, dass ich etwas gemacht habe … etwas extrem Mörderisches.«
Parvati nahm erneut seine Hand. »Lass uns gehen.«
Kapitel 18
Außerhalb des ruhigen, abgelegenen Friedhofs herrschte geschäftiges Treiben in Kalkutta. Sie überquerten die Straße, auf der sich hupende Autos und von Menschen gezogene Rikschas drängten.
Als Ash durch die Straßen wanderte, schienen seine Füße wie von selbst den richtigen Weg zu finden. Er betrachtete die Gebäude ringsum. Eine böse Ahnung keimte in ihm auf und auf einmal war ihm, als befände er sich noch immer in einem seiner Träume. Er war schon einmal hier gewesen, da war er sich sicher.
»Was ist los?«, fragte Parvati.
»Déjà-vu«, antwortete Ash und starrte geradeaus. »Hinter der Ecke dort ist etwas. Warte kurz hier.«
Parvati schwieg.
Ash ließ Parvati zurück und bahnte sich einen Weg durch den rollenden Verkehr. Auf der anderen Straßenseite angekommen, lag ein heruntergekommenes Gebäude vor Ash, dessen Wände sich so stark nach innen neigten, dass sie sich in zwei Stockwerken Höhe beinahe berührten. Nur einige Stützpfeiler aus Holz hielten sie davon ab, vollends einzubrechen. Ash duckte sich unter den Balken hindurch und kroch durch die schmale Öffnung. Aus der Dunkelheit stieg Rauch auf.
»Hallo?«
Was dieser Ort früher auch einmal gewesen sein mochte, nun war er nur noch eine Bruchbude. Die Tür fehlte, die Wände waren krumm und schief und die Fensterrahmen waren dermaßen im Griff von Schlingpflanzen, dass sie längst ihre Form verloren hatten.
Ash setzte den Fuß auf die marmorne Türschwelle und trat ein.
Es war ein alter Tempel. Über Ash war ein Messinghaken angebracht, von dem früher einmal eine Türglocke gehangen hatte. Schlichte weiße Marmorfliesen, zersprungen und uneben, bedeckten den Boden. In den Ecken hatte sich vom Wind hereingewehter Müll gesammelt und der Staub malte merkwürdige Muster auf die Kacheln. Von den hölzernen Stützbalken hingen ganze Vorhänge aus Spinnweben, die Ash streiften, als er vor den Altar und die Statue darauf trat.
Ein vor Angst schlotternder Dämon kauerte vor Kali, die mit ihren zehn weit ausgebreiteten Armen über ihm aufragte. In einer Hand hielt sie den Haarschopf eines abgetrennten Kopfes, dessen Augen halb geschlossen waren und dessen Zunge schlaff herabhing. Die anderen Hände umschlossen verschiedene Waffen, von Speeren bis hin zu Schwertern und einem Galgenstrick. Die Farbe der Statue war schon lange abgeblättert, sodass der nackte Stein darunter zu sehen war und es so aussah, als würde sie sich häuten. Hinter ihr überzogen Bilder die Wand, doch in dem schwachen Licht konnte Ash nicht erkennen, was sie darstellten.
Ein kalter Windhauch, wie ein schwaches Atmen, berührte seinen Nacken. Ash fuhr herum.
»Parvati?«
Doch da war niemand.
Niemand.
»Hallo?«
Ein Kalitempel von vielen. Doch warum fühlte sich dieser hier so anders an? Kalkutta war eine fremde Stadt. Vor wenigen Tagen war Ash das erste Mal durch ihre Straßen gewandelt und hatte ihre Sehenswürdigkeiten bestaunt. Aber dieser Tempel … Irgendwie vermittelte er ihm das Gefühl, nach Hause zu kommen.
Über diese Fliesen war er schon einmal geschlendert. Die Sprünge und Vertiefungen darin waren ihm vertraut, als hätte er seine Zehen schon einmal in einer weit entfernten Vergangenheit darauf gestellt. Er berührte den
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