Ash Mistry und der Zorn der Kobra (German Edition)
berührte die Narbe an seinem Bauch. Die Albträume, das An- und Abschwellen der Macht, alles nur, weil er war, wer er war – was er war. Der Kali-Aastra. Könnte Ujba ihm beibringen, es zu kontrollieren? Wenn auch nur eine kleine Chance bestand, dann musste er sie ergreifen. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen.
Widerstrebend fällte Ash eine Entscheidung.
»Dann unterrichte mich«, sagte er. »Ich will lernen.«
Ujba nahm Ashs Gesicht in seine Hände und blickte ihm tief in die Augen. »Träumst du? Von früheren Wiedergeburten?«
»Ja.«
Der Guru nickte langsam. »Du musst lernen, wann man kämpft und wann man nachgibt. Ein Krieger muss Beweglichkeit und Unnachgiebigkeit miteinander in Einklang bringen. Du kämpfst gegen die anderen an, gegen deine früheren Persönlichkeiten, statt ihnen nachzugeben. Halte Ausschau nach dem Weg des geringsten Widerstands und halte dich daran.«
»Wie finde ich ihn?«
»Deine früheren Leben holen dich nicht willkürlich ein. Es gibt immer einen bestimmten Grund, weswegen sie deine Aufmerksamkeit wollen. Wenn du ihnen nachgibst, machst du sie zu Verbündeten. Betrachte sie als Führer. Je nach Situation, je nachdem, was du gerade brauchst, werden dir andere Persönlichkeiten zu Hilfe eilen. Du musst nur lernen, inmitten der Menge die richtigen zu erkennen.«
»Wie?«
»Dieses Wissen will hart erarbeitet werden.« Ujba hob den Besen auf und legte ihn Ash in die Hand. »Heute Nacht wirst du höchstwahrscheinlich wieder träumen. Tu, was ich dir sage, und morgen unterhalten wir uns. Aber eine Weisheit habe ich noch für dich und ich meine es gut damit, auch wenn mir klar ist, dass du sie in den Wind schlagen wirst.«
»Welche?«
»Vertraue der Rakshasa nicht. Ihr Volk und unseres sind ewige Feinde. Ich bin dein Guru.«
Ash lachte. »Parvati? In welchem Paralleluniversum würde ich dir mehr trauen als ihr? Sie war immer auf meiner Seite.«
»So wie ich, Junge, auch wenn du zu blind bist, es zu sehen.«
»Ash?«
Beide drehten sich um und sahen Parvati im Eingang stehen.
»Bin ich zu früh?«, fragte sie.
Ujba wandte sich an Ash. »Bis morgen.« Dann, nach einem letzten unheilvollen Blick auf Parvati, ging er.
»Der kann dich so gar nicht leiden, was?«, meinte Ash, während er sich den Schweiß vom Gesicht wischte.
»Er hat seine Gründe.« Parvati trat an den Schrein und fuhr mit den Fingern über den zerschundenen Altarstein. »Lass uns gehen. Dieser Ort ist böse.«
»Und das aus dem Mund einer Dämonin«, scherzte Ash.
»Hat Ujba es dir nicht erzählt? Wer hier früher die Göttin verehrt hat?«
Das Zittern in ihrer Stimme ließ Ashs Herz einen Schlag lang aussetzen. Parvati hatte Angst. Nie hätte er das für möglich gehalten. Doch noch immer lauerte der kalte, grauenhafte Hauch auf den Schwellen und in den Ecken des Tempels. Ash dachte mit zuckenden Fingern an den Mann, das Opfertier, den er einst gegen den Altar gepresst hatte.
»Wer?«, fragte er.
»Kalis ergebenste und tödlichste Diener.« Ihre Blicke trafen sich und in Parvatis Augen lag alte, blanke Furcht. »Die Thugs.«
Kapitel 20
»Du meinst wie in Indiana Jones und der Tempel des Todes ? Die Thuggee?«, vergewisserte sich Ash. Sie waren in ein Café gegangen, um dort zu Mittag zu essen, und hatten eine ruhige Ecke gefunden – abseits der kleinen Gruppe Männer, die auf einem alten, knisternden Fernseher jubelnd ein Cricket-Spiel verfolgten.
»Ich vergesse immer wieder, dass du den Mammutteil deines Wissens Hollywood verdankst«, stichelte Parvati. »Was weißt du über sie?«
Ash dachte an den Film. Er erinnerte sich an eisgekühlte Affenhirne und fiese Inder, die es mächtig krachen ließen, bevor der weiße Held auftauchte und ihnen den Spaß verdarb. »Sie haben ziemlich viele Leute erwürgt.«
»Ja. Sie töteten ihre Opfer ohne Blutvergießen. Hast du jemals einen Menschen erwürgt?«
»Nein.« Aber viel hätte nicht gefehlt. Ash stieg die Schamesröte ins Gesicht, als er daran dachte, dass er um ein Haar seinen Vater erdrosselt hatte, während er im Traum der erste Ashoka gewesen war.
Parvati wickelte sich den hellen Baumwollschal vom Hals und schlang die Enden um ihre Fäuste. »Es ist anstrengend. Das Opfer wehrt sich und wenn man das Stück Stoff nicht genau an der richtigen Stelle ansetzt, mit dem Knoten genau unter dem Adamsapfel, dann verschwendet man nur eine Menge Kraft, ohne viel zu erreichen.«
»Klingt, als sprichst du aus Erfahrung.«
»Meinst du im Ernst, ich
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