Asharas Rückkehr - 19
hervor und diktierte Anmerkungen zu der Unterhaltung zwischen Meister Everard und Ivor am Vorabend. Sie glaubte nicht, dass sie etwas Wichtiges ausgelassen hatte, aber sie spielte es vorsichtshalber noch einmal ab. Dann befestigte sie das kleine Gerät an ihrem Gürtel und ging nach unten. In der Küche empfing Anya sie mit dem sonderbaren, fast ehrerbietigen Benehmen, das sie schon am Abend zuvor gezeigt hatte. Da war Margaret zu müde gewesen, um mehr zu tun, als es zur Kenntnis zu nehmen und der immer länger werdenden Liste von Fragen und Rätseln anzufügen. Gegenüber Ivor hatte sich Anya nicht so verhalten. Sie stellte eine Schüssel mit duftendem Haferbrei vor Margaret und wischte sich die Hände an der Schürze ab, wobei sie besorgt schaute. Dann machte sie einen leichten Knicks.
Margarets Hunger vertrieb ihre Neugier. Sie dankte der Frau und langte zu wie ein junger Wolf. Es schmeckte köstlich.
Professor Davidson kam nach unten, als sie gerade eine zweite Portion aß. Er sah ausgeruht und frisch aus, aber auch ein wenig blass unter der Sonnenbräune von Relegan. Er hatte seine Uniform falsch geknöpft und vergessen - oder es jedenfalls nicht geschafft -, sein schütteres Haar zu kämmen. Als sie ihn kennen lernte, waren sie beinahe gleich groß gewesen. Inzwischen war er so gebeugt, dass er ihr kaum bis zur Schulter reichte. Aber er lächelte sie strahlend an, und sie bemühte sich, die leise Stimme zu überhören, die ihr sagte, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.
Als sie gerade zu Ende frühstückten, kam Meister Everard. »Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen«, sagte er, nachdem er sie begrüßt hatte. »Sehr gut, danke.«
»War das Zimmer nicht zu kalt? Gäste von anderen Planeten frieren manchmal. Als Junge ging ich im Kloster St. Valentin zur Schule, und dort lag beim Aufwachen manchmal Schnee auf unseren Zudecken. Damals habe ich mir geschworen, dass nie ein Gast von mir frieren soll.« Er hatte einen volltönenden Bariton, und Margaret dachte, dass er in seiner Jugend ein großartiger Sänger gewesen sein musste. Seine Stimme war erstaunlich tief für einen so schlanken Mann. Er sah aus, als könnte ihn ein kräftiger Windstoß umblasen. Dennoch war er groß und hielt sich aufrecht und war nicht so verschrumpelt wie der arme Ivor. Er hatte ein eckiges Kinn und viele Lachfältchen um die blassgrauen Augen, weiße Haare und eine Menge guter Falten, die Sorte, die jemand bekommt, den seine Arbeit zutiefst befriedigt, wie anstrengend sie auch sein mag. Sie hoffte, auch einmal so auszusehen, wenn sie alt war.
Sie war mit ihren Gedanken woanders und hätte beinahe eine Frage von Ivor überhört. »Meister Everard, ich habe bei dem Instrumentenbauer auf der anderen Straßenseite … Die Form der Schalllöcher hat mich überrascht … Verdammt, erklär du es ihm, Margaret. Wenn es mir nur nicht so schwer fiele, eine neue Sprache zu lernen!«
Meister Everard wartete, bis sie ihm Ivors Frage übersetzte, seinem Gesichtsausdruck nach war er leicht verwirrt. Margaret seufzte. Sie hoffte, es würde nicht wieder so werden wie am Abend vorher. Sie zeichnete mit der Fingerspitze ein paar Linien auf die Tischoberfläche, um zu zeigen, wie die Löcher bei einer terranischen Geige aussahen. »Im Ernst?«, fragte er nach einem Augenblick des Nachdenkens. »Solche Löcher habe ich noch nie gesehen - ergeben die gute Musik?« Margaret lachte leise. »Na ja, die Terraner machen mit dieser Bauweise seit lausenden von Jahren Musik, ich meine, man könnte es so nennen.«
»Erstaunlich. Ich sehe schon, ich werde während Ihres Besuchs eine Menge lernen. Und das ist sehr schön für mich.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Ivor.
»Er sagt, es überrascht ihn, dass man mit derart geformten Schalllöchern gute Musik machen kann - er hat es allerdings höflicher ausgedrückt. Er mag eben seine sternförmigen. Und er meint, er wird eine Menge von uns lernen. Ich glaube, er ist ganz aus dem Häuschen deswegen.«
»Wirklich?«
»Na ja, er ist nicht mehr der Jüngste, und über darkovani-sche Musik weiß er wahrscheinlich mehr als jeder andere. Deshalb findet er die Gelegenheit, etwas Neues zu lernen, wohl sehr verlockend.« »Daran habe ich noch gar nicht gedacht.« Ivor wirkte zufrieden, und während des Essens gewann er an Farbe. Marga
ret war erleichtert, denn sie wusste nicht, ob sie einer Erkrankung von Ivor gewachsen wäre.
»Wenn Sie Ihr Morgenmahl beendet haben«, sagte der Meister bedächtig, »könnten wir ja
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