Asharas Rückkehr - 19
für sich selbst wie eine Verrückte anhörte.
Margaret verstummte abrupt und ließ ihre Gedanken ziellos wandern. Sie wollte nicht nachdenken, denn Denken erfüllte sie mit Schmerz. Einen Moment lang wünschte sie sich, im Wein Vergessen suchen zu können, und dachte an den Senator mit seinen Anfällen von Trunksucht. Trank er deshalb? Zum ersten Mal verstand sie ihn beinahe und fand das Gefühl beunruhigend. Sie wollte ihren Vater nicht verstehen - niemals!
Sie verbannte ihn an den Ort in ihrem Bewusstsein, der für ihre verhasstesten Erinnerungen bestimmt war, und ertappte sich dabei, dass sie an die kompliziert gereimten Couplets von Zeepangu dachte. Auf diesem nebelverhangenen Planeten wurde der Tod als unglaubliche Drückebergerei vor jeder Verantwortung angesehen. Die Trauernden weinten nicht und zeigten keinen Kummer. Stattdessen beschimpften sie den Leichnam und warfen die kleinen, zweizeiligen Gedichte ins Grab. Für einen Moment verstand sie dieses Gefühl der Wut und des Verlustes. Aber sie war keine Bewohnerin von Zeepangu, und sie hatte nicht das Verlangen, Ivor zu beschimpfen, weil er sie verlassen hatte. Sie wünschte sich nur verzweifelt, er wäre nicht gestorben, so vergeblich dieser Wunsch auch war. Wie war der Schmerz über den Tod zu ertragen?
Margaret war als naives kleines Siedlermädchen von sechzehn Jahren an der Universität eingetroffen. Dort war ihr alles sehr fremd und sonderbar erschienen, und sie hatte es gehasst, bis ihr Ivor sowohl ein Zuhause als auch eine Richtung für ihr Leben gab. Sie hatte keine Vorstellung, wie unwissend sie war, bevor sie die Studenten von anderen Welten der Föderation kennen lernte, die alle ihre eigenen Gebräuche und Voreingenommenheiten hatten. Und jeder von ihnen war genauso provinziell wie sie gewesen und genauso überzeugt, dass es so, wie man die Dinge bei ihm zu Hause regelte, richtig war. Der Unterschied zwischen Thetis und der Universität war der Unterschied zwischen Stadt und Land. Margaret hatte nicht vermutet, dass sie ein Kind vom Lande war, dass selbst die Tochter eines Senators unter gewissen Umständen eine Idiotin sein konnte. Was für eine Offenbarung das gewesen war! Sie hatte sich sehr gefürchtet, und dann hatten Ivor und Ida Davidson sie so herzlich aufgenommen. Sie konnte noch sowohl die schreckliche Einsamkeit jener Zeit nachempfinden als auch die Freude, von den gütigen Davidsons gerettet worden zu sein.
Eine Weile entspannte sie sich in der Wärme und Sicherheit ihrer Erinnerungen. Aber ihre Wut dauerte hartnäckig an wie ein erhitzter Ziegelstein, direkt unter ihrem Brustbein. Sie konnte die angenehmen Gefühle nicht festhalten, weil ihr Zorn ständig hochkochte, egal, wie sehr sie sich bemühte, ihn unten zu halten. Warum war sie so zornig? Sie war schließlich ein logisch denkender Mensch, eine ausgebildete Wissenschaftlerin, oder etwa nicht? Schlimmer noch, warum war sie wütend auf Ivor? Wie scheußlich!
Margaret hatte das starke Bedürfnis, die Quelle ihres Zorns zu entdecken, ihn klar zu umreißen, dann sauber zu einem Päckchen zu verschnüren und wegzuwerfen. Niemand, der ihr nahe stand, war in ihrem bisherigen Leben gestorben. Das
wusste sie mit Sicherheit. Sie setzte sich im Bett auf, zog die Knie an und stützte nachdenklich den Kopf in die Hände.
Nur leider ließen sich ihre Gefühle nicht hübsch analysieren und dann wegstecken. Sie waren wie ein Sack voll Katzen, die alle jaulten und kratzten. Es hatte nicht nur mit Ivor zu tun. Es war doch noch jemand gestorben, der ihr etwas bedeutete. Margaret dachte nach, aber sie konnte sich nicht vorstellen, wer, außer vielleicht ihre richtige Mutter, die erste Frau ihres Vaters. Sie dachte selten an diese Frau. Wenn sie es getan und Dio nach ihr gefragt hatte, wünschte sie sich nachher, sie hätte geschwiegen, weil Dio so gequält und sorgenvoll aussah. Oder die andere Frau, diese Thyra, von der sie sicher annahm, dass sie ein Teil des Rätsels war. War sie tot? Sie vermutete es, denn Meister Everard hatte in der Vergangenheitsform von ihr gesprochen. Bäh! Sie stank nach Schweiß, Dreck und Elend, und mochte die Göttin wissen, wonach sonst noch. Margaret hielt es keinen Moment länger aus, stieß die Bettdecke zur Seite und hielt nach ihren Kleidern Ausschau. Ihre Uniform war nirgendwo zu sehen, aber die weiche darkovanische Kleidung, die sie gekauft hatte, hing in dem kleinen Schrank. Sie fühlte sich wundervoll an in ihren Händen, tröstend und Geborgenheit
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