Ashby House
Sinne.«
»Vergiss nicht, wer hier am längeren Hebel sitzt, Aschenputtel.«
»Ich glaube, Hebel haben wir beide genug. Lass es nicht drauf ankommen.« Im Herausgehen griff Laura sich die Bettpfanne und warf sie Lucille auf die gefühllosen Beine.
»Töpfchen, Schätzchen!«
»Spar dir die Baby-Jane-Nummer. Dazu fehlt es dir an Größe.« Wenn sie nicht im Drogenrausch war, gewann Lucille immer den Kampf um das letzte Wort.
Sie hätte es schlimmer treffen können. Ihre Lage war unangenehm, aber nicht aussichtslos. In Los Angeles zu bleiben wäre keine Alternative gewesen. Alle Menschen, die sie dort kannte, kannte sie über Lucille. Und diese Menschen waren ihr seit dem Unfall nicht besonders gewogen. Der beste Weg war deshalb, an Lucilles Seite zu bleiben und sich um sie zu kümmern, den Anschein zu erwecken, ihre Pflege sei aufopferungsvoll. Irgendwann würde Lucille das Landleben satthaben und sich wieder ins Gesellschaftsleben stürzen. Sie würde einen elfenbeinernen Rollstuhl bei Tom Ford in Auftrag geben, möglicherweise so hoch wie ein Barhocker, um auf Partys Begegnungen auf Augenhöhe zu haben. Lucille hasste es, zu Menschen aufzuschauen, sie war eine Macherin, kein Opfer, auch wenn es momentan anders aussah. Wenn Lucille ihr irgendwann vergab, dann taten es doch auch alle anderen? Den Gedanken an die unzähligen Celebrities, die von Lucille auf ihre einzigartige Weise mit dem Shalott-Stempel versehen, inszeniert, abgelichtet und für die Nachwelt auf dem Höhepunkt ihrer Sinne und Sinnlichkeiten konserviert worden waren, schob sie beiseite.
Als Laura die Küche betrat, kam ihr Steerpike mit einem dampfenden, duftenden Tablett entgegen. Er sah übernächtigt aus. Ab einem gewissen Alter verleiht einem selbst der befriedigendste Sex nicht mehr den zarten Schmelz, mit dem er die Schönheit der Jugend krönt, sondern die sichtbaren Zeichen von Übermüdung und das Gefühl geschundener Muskeln. Laura hatte diesen Effekt recht erfolgreichmit der Einnahme hoher Dosen von Arginin und Ornithin bekämpft, die die Ausschüttung von Wachstumshormonen veranlassten. Steerpike wäre ihr für den Hinweis vielleicht dankbar gewesen, aber sie war nicht in Stimmung für Großzügigkeit.
»Guten Morgen, die Küche ist im Moment noch am wärmsten. Wenn Sie möchten, serviere ich Ihnen das Frühstück hier.«
»Danke, ich bediene mich selbst.« Sie musste auf ihren Ton achten – sie hatte für ihre Ohren zu schnippisch geklungen.
Er ließ ihr den Vortritt, sie schritt an ihm vorbei, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, fügte die obligatorischen sechs Löffel Zucker hinzu, nahm einen Schluck und war Steerpike trotz seines unverhohlenen Seitenblicks auf die Zuckerdose schon etwas weniger böse. Sein Kaffee war eine Offenbarung.
Das Wichtigste war, sich zusammenzureißen, sich nicht auf das Niveau der Umgebung herabzubegeben, sondern sich zu pflegen, zu schmücken, das Beste aus sich zu machen. Diese Anleitung hatte sie befolgt, seit Joan Rivers in Oprah Winfreys Show betont hatte, wie wichtig es war, sich in Lebenskrisen besonders um das eigene Erscheinungsbild zu kümmern: die Haare zu frisieren, nie ohne Strumpfhose aus dem Haus zu gehen und das Make-up nicht zu vernachlässigen – ganz besonders, wenn man eine Frau war. Also tat Laura, was sie konnte, steckte das Rothaar zu einem strengen Grace-Kelly-Dutt auf, applizierte Make-up, Eyeliner, Lippenstift, Wimperntusche und den hervorragenden Blusher einer australischen Produktlinie. Sie entschied sich für das kleine flaschengrüne Prada-Kostüm, das sie zuletzt bei einer Home-Story über Geschwister in Hollywood für das Magazin›People‹ getragen und das sowohl ihren Teint als auch ihre Haarfarbe nahezu aggressiv zum Leuchten gebracht hatte. Abgerundet wurde das Ensemble durch einen federleichten grünkarierten Pashmina-Schal, Bestandteil einer Goodie-Bag anlässlich der ersten und letzten Kabbalah-Akquise-Party, die sie und ihre Schwester im Hause von Roseanne Barr besucht hatten. Lucille war der Erfolg haarscharf an der Scientology-Sekte vorbei gelungen – sie würde jetzt nicht freiwillig einer modischen Religion ihre hart erarbeiteten Millionen abführen, nur weil Madonna langsam die Ideen ausgingen, was sie mit ihrem Geld noch anfangen sollte. Laura hatte gebettelt, mitkommen zu dürfen, doch dann hatte Demi Moore Ashton Kutcher zu Hause gelassen, und das einzig Gute, was der Abend ihr gebracht hatte, war der Pashmina-Schal.
Nach dem
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