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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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dessen Standard Lucille sich mit einem Schaudern erinnert, doch das Medienaufkommen dort war gleich null. Kellys ehemalige Kollegin Jill übernahm die Betreuung der Schwestern an der Ostküste und begleitete sie an Bord der »Queen Elizabeth«, nachdem sie sowohl die Passagierlisten als auch die Mannschaft überprüft und Letztere durch die gezielte Verteilung von Banknoten zum Schweigen verpflichtet hatte.
    Lucille und Laura hatten den Kontinent so verlassen, wie ihre Vorfahren ihn betreten hatten: auf dem Seeweg. Die unangenehmeKälte und der Mangel an Unterhaltungsmöglichkeiten auf der Passage schienen Lucille eine adäquate Vorwegnahme der kommenden Monate zu sein.
    Ausgerechnet ›Königin Christine‹ lief im Fernsehen, als sie es sich in ihrer Kabine bequem machen wollte. Beim Schlussbild   – die Garbo allein an Bord eines Schiffes, mit ausdruckslosem Gesicht einem ungewissen Ufer entgegensteuernd   – waren Lucille zwei Tränen aufgestiegen. War Europa nichts anderes als ein Friedhof für Diven?
    Doch sowenig sie sich gestattete, Glück zu genießen, sowenig gelang es ihr, Traurigkeit zu zelebrieren. Vielleicht waren es die Gene ihrer deutschen Vorfahren, die für Lucilles preußische Disziplin verantwortlich waren, vielleicht war es aber auch die Unfähigkeit, etwas Geschenktes als gegeben zu akzeptieren. Lucille hatte ausgiebig Leid erfahren und festgestellt, dass das Leid sich gern als Ruhebett für einen Dornröschenschlaf anbietet, dass man es jedoch besser als Sprungfeder benutzt. So presste sie die Tränen mit einem Taschentuch zurück in die Augen und nahm sich ihr Notizbuch zur Hand. Sie hatte immerhin sechs Einstellungen entdeckt, in denen Chris auftauchte.
     
    »Mister Steerpike, wie lange, glauben Sie, wird es noch dauern, bis die Telefonleitung funktioniert?«
    »Der Auftrag ist vor mehr als zwei Wochen erteilt worden. Ich rechne jeden Tag damit.«
    »Ich muss dringend den Computer anschließen. Ich fühle mich wie amputiert ohne Internet.«
    »Im Dorf gibt es ein Internet-Café. Möchten Sie, dass ich Sie dorthinbringe?«
    Laura hatte nicht die geringste Lust, zwischen Teenagern, die Sexseiten absurften, und heimatlosen Ausländern, diekeine billigere Kommunikationsmöglichkeit hatten als das Netz, in einem nach Pubertätsschweiß, Koriander und Zigaretten stinkenden Café zu sitzen und über Ashby House zu recherchieren. Wo blieb denn da die Romantik?
    »Danke, nein. Aber wenn Sie bitte bei der Telefongesellschaf nachhaken könnten.«
    »Selbstverständlich, Miss Shalott.«
    »Und wenn Sie vielleicht Zeit hätten, sämtliche Räume zu heizen. Die Kälte sitzt in den Mauern, und wenn wir nicht einmal das ganze Haus durchheizen, dann holen wir uns alle den Tod.«
    »Wie Sie wünschen.«
    »Ich meine tatsächlich sämtliche Räume, Mister Steerpike. Auch die im   …«
    »Im zweiten Stock?« Der Gedanke schien ihm nicht zu behagen.
    »Ganz genau. Ich würde mich dort gern ein wenig umschauen.«
    »Selbstverständlich, Miss Shalott, wenn Sie das wünschen. Es kann sein, dass die Zeit heute nur für den ersten Stock ausreicht, aber ich werde mein Möglichstes tun.«
    Er wartete höflich weitere Anordnungen Lauras für ihn ab, und es ärgerte sie, dass er so schnell wieder seiner Arbeit nachgehen wollte.
    »Das wäre im Moment alles, Mister Steerpike.«
    Er nickte ihr kurz zu, wobei ihm eine Strähne seines langen blonden Haares in die Stirn fiel, die er mit einer lässigen Bewegung fortstrich. Seine schlanken Hände zierte noch ein Rest Sommerbräune. Er drehte sich um und war im Begriff zu gehen.
    »Ach, und Mister Steerpike, wenn Sie Hilfe brauchen   – ich verstehe, dass das Haus groß ist und vielleicht erst nochBrennholz gehackt werden muss   –, bitten Sie doch den jungen Mann, der Ihnen gestern beim Umzug geholfen hat, Sie zu unterstützen.« Sie drückte ihm einen Stapel Pfundnoten in die Hand. »Die Haushaltskasse.«
    Es fiel ihm schwer, seine Freude zu verbergen. »Gewiss. Eine sehr gute Idee. Vielen Dank, Miss Shalott.«
    »Und wenn Sie bitte meine Schwester mit dem Nötigsten versorgen könnten. Ich plane, heute Nachmittag ins Dorf zu fahren.«
     
    Wie sich herausstellte, war St. Just tatsächlich nicht mehr als ein Dorf. Ein romantisches und unglaublich pittoreskes Dorf zugegebenermaßen, aber bei diesem Wetter ein kaltes romantisches Dorf, das immerhin ausgeschlafen genug war, eine effiziente Schneebeseitigung zu bewerkstelligen. Die gestern noch schwer passierbaren

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