Ashby House
Cornwall ansiedelt.«
Rosamunde Pilcher. Der Name hörte sich in Lauras Ohren an wie die medizinische Bezeichnung für einen Pilz im Genitalbereich. Und wann hatte Lucille das letzte Mal einen Roman gelesen, es sei denn, sie befand sich gerade in Vorbereitung auf ein thematisches Shooting?
»Pilcher. Aha. Ich muss Lucille darauf ansprechen.« Sie wechselte das Thema.
»Wie lange stand das Haus denn schon leer? Die Inneneinrichtung scheint ja original zu sein.«
»Lassen Sie mich nachrechnen … Das deutsche Fernsehen hat Mitte der neunziger Jahre einige klassische Cornwall-Romane verfilmt, und Ashby House ist für zwei Produktionen als Location angemietet worden. Die Ealing Studios hatten es bereits in den vierziger Jahren für Außenaufnahmen verwendet. Und davor stand es mehrere Jahrzehnte leer.« Der Advokat räusperte sich.
»So lange? Aber es ist doch sicher ein sehr begehrtes Objekt gewesen!«
»Man war sich einfach nicht einig darüber, was man mit der Immobilie anfangen wollte. Einige wollten es vermieten, andere verkaufen.«
»Einige?«
»Der Gemeinderat. Das Haus ist schon seit Langem Eigentum des Landes. Es gab keine Erben.«
»Aber dann haben sie sich schließlich geeinigt?«
»Vor die Wahl gestellt, das Haus als Museum umzubauen,was sehr kostspielig gewesen wäre, oder es an Ihre Schwester zu verkaufen, hat man sich für letztere Variante entschieden.« Sein Lächeln schien etwas verlegen. »Die Renovierungsarbeiten, Sie verstehen. Die Ritchies hatten aus diesem Grund Abstand von dem Kauf genommen.« Dass seines Erachtens die Attraktivität der Küste Cornwalls Jahrtausende überdauert hatte, was man von keinem Geschöpf Hollywoods behaupten konnte, behielt Harker in der für ihn charakteristischen vornehmen Freundlichkeit für sich.
Obwohl sie einiges an Informationen mit auf den Weg bekommen hatte, fühlte Laura sich nicht schlauer als vorher. Sie stapfte durch den Schneematsch zu ihrem Mini Cooper, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und startete den kleinen, kalten Wagen, den auch nur Madonna mit ihrer Liliputaner-Körpergröße bequem finden konnte. Im Schritttempo verließ sie Penzance, und je näher sie ihrer neuen Heimat Ashby House kam, desto stetiger wuchs ihre Beklemmung.
In St. Just fiel ihr ein kleines Lokal auf, das »Star Inn«. Warmes gelbes Licht drang durch die kleinen Butzenfenster nach draußen und verbreitete das einladende Flair von Landhaus und Five o’ clock tea. Der Name des Lokals schien ihr Programm, und so parkte sie den Wagen direkt davor. Eine gute Gelegenheit, ihre Rückkehr ins kalte Gemäuer noch etwas hinauszuzögern und die ländliche Küche zu testen.
Sie hatte Schlimmeres befürchtet. Anstandslos und lächelnd war die rotbackige Wirtin mit der helmartigen Dauerwelle ihrem Wunsch nachgekommen, ein Rührei aus vier Eiweißen und nur einem Eigelb herzustellen. Sobald das Internet installiert war, würde Laura gigantische Care-Pakete beim Dr.-Atkins-Versand ordern. Bis es jedoch so weit war,musste sie sich selbst um ihre proteinreiche, kohlenhydratarme Ernährung kümmern. Auch wenn es keinen AA C-Wein gab ( »Alles außer Chardonnay«) – der Chardonnay im »Star Inn« war schmackhaft und hochwertig. Unaufgefordert hatte ihr die Wirtin eine Tasse schwarzen Kaffee zur Rechnung präsentiert, und trotz der Vorliebe der Engländer für Tee war dieser Kaffee besser als alles, was Starbucks servierte.
Der Imbiss hatte Laura gestärkt, und sie fühlte sich gewappnet, die Heimreise anzutreten. Gerade als sie ihren Mantel anzog, öffnete sich die Tür des »Inn«, und zusammen mit einer Schneewolke und dem Duft kalter, klarer Seeluft stob ein Mann herein. Laura musste an Steerpikes Ankunft in Ashby House denken und fragte sich, ob englische Männer grundsätzlich die Naturgewalten nutzten, um einen dramatischen ersten Eindruck zu hinterlassen. Doch sie täuschte sich. Dieser Mann hatte seinen ersten Eindruck bereits gemacht. Es war der Yves-Saint-Laurent-Mantel-Träger aus Penzance, der ihr im Videoladen freundlich die Tür aufgehalten hatte. Als er sie erkannte, strahlte er sie mit funkelnden Augen und blitzenden Zähnen an – noch ein englisches Klischee, das Laura nun abhaken konnte, sein Gebiss sah gesund und wohlgeformt aus – und wuchtete einen großen Korb voller Lebensmittel auf den Tresen.
»Haben Sie in Penzance gefunden, was Sie gesucht haben?« Er fuhr sich mit den Händen durch das schwarze, an den Schläfen leicht silbrige Haar
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