Ashby House
und schüttelte Schneeflocken heraus.
Ich Cathy, du Heathcliff, schoss es Laura durch den Kopf. »Oh, ja, die komplette Nicole-Kidman-Bibliothek für lange, kalte Winterabende.«
»Ah, Nicole Kidman. Eine wunderbare Schauspielerin.«
»Die beste momentan, wenn Sie mich fragen.«
»Sie planen einen längeren Aufenthalt in St. Just?«
In den Staaten hätte sie eine solche Frage, gestellt von einem Fremden, nie beantwortet, aber langsam fühlte sie sich in ihrem Inkognito sicher. »Nicht direkt im Dorf. Aber hier in der Nähe.«
»Slasher mein Name.« Er machte eine ausladende Geste, die ihn als Besitzer des Lokals etablierte. »Willkommen im ›Star Inn‹!«
»Eigentlich wollte ich gerade gehen.«
»Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen? Der Sturm draußen ist gerade teuflisch.«
Die Wirtin nahm ihm den Korb mit den Lebensmitteln ab und schaute Laura erwartungsvoll an. Diese schob eine imaginäre Haarsträhne zurück in den Dutt, aus dem sie nicht herausgefallen war. »Warum eigentlich nicht?« Und jetzt war es an ihr, ihr perfektes Gebiss in einem Hollywood-Lächeln zu präsentieren.
Slasher war nicht nur ein ansehnlicher, sondern auch ein angenehmer Gesprächspartner. Er berichtete von der Akquise des ländlichen Lokals vor ein paar Jahren. Er hatte in London gelebt, wo er immer noch drei Tage die Woche verbrachte, und sich zum Ziel gesetzt, ein Juwel von einem Lokal in Cornwall zu eröffnen. Bei einem sommerlichen Wochenendtrip war er durch St. Just gefahren und hatte das Schild »zu verkaufen« im Fenster des Pubs gesehen. Der Name des Ortes, die Lage des Inns – all das schien ihm, so seine Worte, »just right«, und so war er einige Wochen später Eigentümer eines Landgasthofs geworden.
Während er sich mit Laura unterhielt, präsentierte die Wirtin Teller mit kleinen Leckereien, weshalb Lauras Stoffwechsel das erste Mal seit Langem eine überraschende Zufuhrvon Kohlenhydraten erhielt. Es schmeckte zu gut, als dass sie Schuldgefühle aufkommen lassen wollte.
»Und, läuft der Laden gut?« Es war ihr nicht entgangen, dass sie noch immer der einzige Gast im Lokal war.
»Es könnte besser laufen, vor allem im Winter, aber ich zahle nicht drauf.«
Wenn es für einen Yves-Saint-Laurent-Mantel reichte, fiel sein Einkommen sicher ganz zufriedenstellend aus.
»Bei besserem Wetter ist mehr los. Die Einheimischen müssen die Fünfzehn-Jahre-Frist abwarten, in der ein Zugereister als ortsansässig gilt, und die Touristen sind in dieser Jahreszeit nicht sehr zahlreich. Das gegenwärtige Wetter hilft auch nicht.«
»Also, eine neue Kundin haben Sie. Das Essen und der Kaffee sind wirklich exzellent! Es ist bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich mich hier blicken lasse.«
»Das hoffe ich sehr, Miss …«
»Laura, nennen Sie mich einfach Laura.«
»Gerne«, er schenkte ihr ein Strahlen und reichte ihr die Hand. »Ich bin Hector.«
»Hector, wenn ich jemanden bräuchte, der mir etwas mehr über Land und Leute und über die Architektur in dieser Gegend erzählt – an wen sollte ich mich Ihrer Meinung nach wenden?«
Er schwieg bedeutungsvoll, aber nicht übertrieben lange. Sein Timing war von gnadenloser Perfektion.
»Laura, ich würde vorschlagen, Sie wenden sich vertrauensvoll an mich. Ich habe mich mit meiner Umgebung sehr vertraut gemacht.«
Als sie im Licht der Autoscheinwerfer, in dem die Schneeflocken hysterisch tanzten, die schweren, schmiedeeisernenTore zur Auffahrt von Ashby House öffnete, zerrte der Sturm an ihren Kleidern. Doch Laura spürte weder die aggressiven Böen noch die Kälte des Metalls in ihren Händen, im Gegenteil, ihr war angenehm warm zumute. Ihre gesamte Wahrnehmung war durch ein sonniges inneres Glühen gefärbt. Den kalbgroßen silbergrauen Hund sah sie erst, als im Licht der Scheinwerfer seine Augen grell aufblitzten und er sich bereits so weit genähert hatte, dass sie nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um seinen Schädel zu berühren, der sich auf Höhe ihres Bauchnabels befand. Für den Bruchteil einer Sekunde fror, während die beiden Kreaturen sich gegenseitig fixierten, das Bild ein. Selbst die Schneeflocken verharrten in ihrem Tanz, in der Erwartung, welche Art von Leben in dieses Standbild fahren würde.
KAPITEL 6
Dies ist ein guter Zeitpunkt, einige Informationen über Lauras emotionale Disposition preiszugeben. In dem Fach »Gefühle« ist unsere Heldin versiert. Hass, Neid, Missgunst – die gesamte Klaviatur an Emotionen ist bei ihr
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