Ashby House
fügte hinzu: »Im zweiten Stock.«
»Gewiss, Miss Shalott.«
»Was ist im zweiten Stock?«, wollte Stephen wissen.
»Genau darum geht es«, antwortete Laura leise und mehr zu sich selbst.
Hollywood. Seit meiner frühesten Kindheit liebe ich Hollywood. Ich bin aufgewachsen mit Musicals, Krimis, Western, dem Film noir, brillanten romantischen Comedies – von ›Es geschah in einer Nacht‹ bis ›Pretty Woman‹. Wann immer die Klassiker im Fernsehen liefen, blieb ich zu Hause und war durch nichts in der Welt zu bewegen, mit den anderen Kindern zu spielen. Ich war eine Außenseiterin. Die Stars waren für mich der Ersatz für Götter und wurden zum Ersatz für Freunde. Ihr Spiel wurde zum Ersatz für mein eigenes Leben und Erleben. Sie bildeten ab, was in mir vorging. Und jeder weiß, dass das innere Geschehen mindestens so viel Substanz
hat wie das äußere. Träume können uns tragen, wenn das Schicksal schlecht mit uns umspringt. »Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt«, hat Einstein gesagt. Gedanken sind wahr genug.
Vor dem Bildschirm ließ ich meinen Gefühlen freien Lauf, von Albernheiten wie Schularbeiten, Rangkämpfen, Pyjama-Partys und all den anderen Banalitäten, denen sich meine Altersgenossen hingaben, ungestört. Ich brauchte keine Spielkameraden, ich hatte dank des ausrangierten Farbfernsehers meiner Eltern Götter im Kinderzimmer…
Ich erwartete nie etwas von dem einen Gott. Das sah ich wie Frances Farmer: Wenn Gott mir half, meinen roten Hut wiederzufinden, aber nichts tat gegen das Elend auf der Welt, welche Bedeutung sollte er dann haben? Die Stars nahmen seinen Platz ein und wurden mir Spiegelbilder, Leitbilder, Vorbilder. Nichts wünschte ich mir sehnlicher, als eines Tages dazuzugehören, selbst bedeutungsvoll zu werden, in irgendeiner Form Teil dieses Pantheons zu sein … Und welches Land verlockt mehr dazu, sein Glück in die Hand zu nehmen und das Unerreichbare zu erlangen, als Amerika? Ich bin ein Kind Hollywoods, damals wie heute.
Bette Davis als Margo Channing, Marilyn am Ende ihres Kampfes in ›The Misfits‹, Jessica Lange in den Pranken King Kongs und auf einem Pferd durch Nevada reitend. Von Lillian Gish bis ›Big Fish‹. Licht und Schatten bei Orson Welles. Keanu Reeves in ›Speed‹. Sandra Bullock, Stephen Steed. Die Patzer in Tod Brownings ›Dracula‹, der Farbrausch in Coppolas Adaption. Hollywood erzählt die großen Geschichten nicht, wie sie waren, sondern wie wir sie gern hätten, und so habe ich es auch mit meinem Leben immer gehalten.
Wenn es eine Quizshow gäbe, in der man die hässlichsten Perücken der Filmgeschichte benennen müsste – ich würde
gewinnen: ›Interview with the Vampire‹ und ›Edward Scissorhands‹.
Audrey Hepburn. Katherine Hepburn. Goldie Hawn. Tom, Brad, Johnny und Ewan. Jack Nicholson, der alte Bock. GRETA, der schönste Anblick, der je in Licht und Schatten gesetzt wurde. JUDY, in deren Stimme das Leid der Welt erklingt. Das Gesicht von Louise Brooks raubt mir den Atem. Die Nutten von Shirley, die Blondinen von Tipi. ›Hitch‹! ›Vom Winde verweht‹ und ›Cold Mountain‹. Jude LAW. Julia ROBERTS. Der Tinker-Bell-Aufkleber auf dem Grabstein Heather O’Rourkes auf dem Westwood Memorial. Die abgeschabte Grabplatte Marilyns ein paar Meter weiter, übersät mit Abdrücken billiger Lippenstifte. Dorothy und Toto auf Tassen und T-Shirts in den Souvenirläden am Hollywood Boulevard. Vine und Valentino. Gloria Swanson als Norma Desmond – ein visuelles Gedicht. Cary, Gary, Harrison. James Dean. Norma Jeane. Was Baz Luhrmann zu Ehren Marilyns mit Nicole in ›Moulin Rouge‹ getan hat! Doris Day schreit ›Que sera‹, um ihr entführtes Kind auf sich aufmerksam zu machen. Sharon Tate liegt im Blut ihres ungeborenen Kindes. Sharon Stone spreizt die Beine. Die blaue Gardenie und die Schwarze Dahlie. Taylor hat keine Angst vor Burton und Burton und wieder Burton. Debbie Reynolds weint. Carrie Fisher wird gehässig. Töchter, die Bücher über ihre liebste Mami schreiben. Das alles bin ich.
Es war mein Wunsch, ein Teil zu werden, und der Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Ich habe Hollywood geatmet, gegessen, denn zuvor hatte ich mich danach verzehrt. In meinen Bildern habe ich sie für die Ewigkeit aufgespießt wie Schmetterlinge hinter Glas, eingefroren in einen Ausdruck meiner Wahl, reduziert auf das, was ich in ihnen sah. (Tja, Madonna, tut mir nicht leid.) Ich habe sie aus den Filmen
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