Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig

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Rahmen verzogen oder als hielte sie jemand von innen fest.
    Nachdem der Hubschrauber sich entfernt hatte, war es von einem Moment auf den anderen still geworden. Nachdem die Vorhänge in der Ballsaalkuppel wie von Zauberhand zugezogen worden waren, hatten Laura und Steerpike einen sehr begründeten Anlass zu der Vermutung, dass es mit dieser Stille nichts Gutes auf sich haben konnte. Es war eine konzentrierte Ruhe, als atme Ashby House noch einmal tief durch, bevor …, ja, bevor was?
    Schweigend schritten die drei Gestalten voran, bis sie an der Tür zum Turmzimmer angelangt waren.
    »Soll ich zuerst?« Lauras Stimme zitterte, und in diesemMoment, ganz anders als noch vor wenigen Minuten im Ballsaal, sah die Axt in ihrer Hand aus wie eine deplatzierte Requisite.
    Steerpike schüttelte den Kopf, und der Anflug eines Lächelns umspielte seine Lippen, als er ihr das Beil aus der Hand nahm. »Wenn Sie bitte ein paar Schritte zurücktreten.«
    Laura gehorchte.
    Er packte den Stiel der Axt, atmete tief durch, und nach einem letzten Blickwechsel mit Laura wandte er sich der Tür zu. »Ich fange an.« Er holte aus, kniff die Augen zusammen und ließ die Axt auf die Tür niedersausen. Ein kratzendes Geräusch erklang, und Laura glaubte zu sehen, wie die Klinge auf der Tür Funken schlug. Der zweite Schlag folgte schnell, wieder raste das Beil auf die Tür zu, schlug Funken. Steerpike fuhr mit der Hand über die schmale Kerbe, die entstanden war. »Nichts, schauen Sie selbst.«
    Laura trat heran und strich mit dem Finger die kaum erkennbare Delle entlang. »Sehen Sie!« Erschrocken trat sie einen Schritt zurück.
    Der Hund hatte zu knurren angefangen, und im selben Moment vernahmen die beiden ein Geräusch, eher eine Schwingung, einen tiefen Bass, der bis in ihr Innerstes drang. Vor Lauras Augen verschwamm alles, sie konnte ihren Blick nicht mehr scharf stellen. Sie musste die Hand nach Steerpike ausstrecken, um zu begreifen, was wirklich geschah. Als ihre Hand auf seinem Oberarm zu liegen kam, spürten sie es beide. Sie vibrierten, als flösse Strom durch ihre Körper. Das Auflegen der Hand beendete die Vibrationen. Steerpikes Umriss war wieder klar zu erkennen, und nachdem er ebenfalls ihren Arm ergriffen hatte, stand auch Laura nicht mehr unter Strom. Instinktiv hatte der Hund sich gegen Laura gepresst,um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Erst jetzt wandten sie sich wieder der Tür zu.
    »Sie ist weg!« Steerpike war blass geworden.
    Laura stellte sich neben ihn und betrachtete die Tür in Höhe der Kerbe, die der Axthieb gerissen hatte. Die Oberfläche war unversehrt, die Kerbe, die beide eben noch deutlich unter ihren Fingern gespürt hatten, verschwunden. »Dass mich das nicht überrascht, heißt nicht, dass ich es begrüße.«
    Steerpike bückte sich und hob die Kettensäge auf.

    Als Stephen Steed die ersten Geräusche eines Hubschraubers vernahm, deutete er sie sofort richtig. Er sprang auf und schaute aus dem Fenster die Auffahrt hinab.
    Es hatte sich etwas getan. Wo zuvor ein einzelner Übertragungswagen gestanden hatte, stand mittlerweile ein halbes Dutzend. Die Zustände auf der Straße vor der Auffahrt erinnerten an einen Jahrmarkt. Immer mehr Wagen fuhren vor. Für die Bewohner des Dorfes, die einige Tage lang diskret und aus der Distanz von ihren Neuzugängen geschwärmt hatten, mussten der Aufruhr und die Medienpräsenz eine ähnliche Bedeutung haben wie der Mauerfall für die Deutschen. Man musste dabeigewesen sein, schließlich wurde gerade Geschichte geschrieben.
    Nur gut, dass Lucille in der Klinik in London ist, dachte er, bevor er die Vorhänge der Bibliothek zuzog und sich plötzlich sehr allein fühlte. Er ging zurück zu seinem Platz am Kamin und stocherte mit dem Schürhaken in der Glut, um sie erneut anzufachen, und legte Holzscheite nach. Das orangefarbene Leuchten intensivierte sich mit einem Mal zu einem hellroten Glühen – Funken begannen zu sprühen. Und diese Funken beschrieben eine Form, die sein Verstandnur sehr langsam verarbeitete. Das Bruchstück einer Armlehne wurde erkennbar. Der Armlehne eines Rollstuhls. Ein allerletztes Mal glomm das Funkenbild auf und zerfiel zu Asche.

    Erst beim dritten Versuch war die Kettensäge angesprungen. Laura hielt sich die Ohren zu, und Steerpike setzte an, ohne zu zögern. Der Lärm des Motors wurde vom Kreischen der Sägezähne auf der unnachgiebigen Turmzimmertür übertönt. Ein Funkenregen prasselte schmerzhaft auf Steerpikes Arme