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Ashby House

Ashby House

Titel: Ashby House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Ludewig
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geholt
und in die Magazine gebracht. Und zuletzt in die Museen.
    Die Rache der modernen Frau ist ihr Erfolg. Ich habe mich sehr lustvoll gerächt. Woran? An der Unspektakularität des Lebens.
    Was kommt nach dem Erfolg? Plötzlich, im letzten Sommer: Joan Crawford im Rollstuhl. Was als Nächstes? Joan Crawford tot am Strand, und ihre irre Schwester Baby Jane tanzt Ringelreihen und leckt ein Eis? Wo ist der Punkt, an dem man erreicht hat, was man wollte? Wo ist der Punkt, an dem man über den Regenbogen hinausgegangen ist? Vielleicht reicht es, dabeigewesen zu sein. Vielleicht ist das genug für Demut. Vielleicht ist es besser, gestoppt zu werden, als immer weiterzumachen.
    Nicht wie Bette Davis als vom Krebs verzehrtes Gerippe im ›Tanz der Hexen‹ anzutreten, zu gebrechlich, eine Rose aufzuheben, die eine europäische Kollegin ihr ehrerweisend zu Füßen gelegt hat. Also trat sie drauf, zermalmte die Blüte auf dem Hotelteppich. Nicht hinter Schleiern mit schlecht sitzenden, falschen Zähnen »Just a Gigolo« zu nuscheln. Als komische Alte durch T V-Serien zu stolpern und sich nachts besinnungslos zu saufen, um einschlafen zu können, vom Göttlichen zum Niedlichen zum Tödlichen. Besser: die Tür zu schließen und die Vorhänge zuzuziehen.
    Doch kehrt man der Welt den Rücken zu, lädt man die Messerwerfer ein. Gretas Asche, Marlenes Gebeine, lesbische Liebesbriefe und hasserfüllte Tagebücher. Ein letztes Interview, in dem du feststellst, dass der Ruhm alles ist, alles war, dass er dich aber nicht warmhält in einer kalten Nacht. Und die Liebesgöttin starb allein, nicht wahr?
    Doch wie sich verabschieden, wenn einen niemand lässt? Wie verschwinden, wenn die Filme und die Bilder bleiben?
     
    Stephen konnte nicht umblättern, er musste seinen Brechreiz niederkämpfen. Er hatte geglaubt, Lucille zu kennen, doch was ihm an Härte und Bitterkeit aus den Zeilen entgegenbrandete, entsetzte ihn. Hatte der Unfall einen solchen Menschen aus ihr gemacht? Oder war diese düstere Seite schon immer Bestandteil von Lucilles Persönlichkeit gewesen? Sie hatten über vieles geredet, aber nie darüber, was passierte, wenn der Erfolg ausblieb. Die Sätze taten ihm körperlich weh, und das, obwohl er wusste, dass er als Mann gut zehn Jahre länger erfolgreich bleiben konnte als seine weiblichen Kollegen. Zumindest was Hauptrollen anging.
    Mehr als die Flüchtigkeit, die Lucille dem Ruhm unterstellte, erschreckte ihn die Sucht nach ihm, die aus ihren Worten sprach. Fast zwanzig Jahre hatte sie dem Ruhm gedient und er ihr   – allerdings in einseitiger Abhängigkeit: Der Ruhm würde ohne sie auskommen und weiterziehen. Das Gewonnene wieder zu verlieren war um so vieles schrecklicher, als es nie so weit geschafft zu haben. Die Fallhöhe wuchs mit jedem Magazin-Cover, jeder neuen Sensationsgage, jedem Hit an den Kassen. Mit dem Bewusstsein von der Fallhöhe kam die Angst vor dem Verglimmen, vor dem Zerbrechen der eigenen Ikone.
    Mit dem Ruhm war es wie mit der Sehnsucht nach Liebe: ein Verlangen, das nicht gesättigt werden kann. Der Ruhm war nicht das Blut. Der Ruhm war der Vampir.
     
    »Wir sehen aus wie in einem schlechten Horrorfilm!«
    Laura trug die Axt, Steerpike hatte die Kettensäge mit einem Schultergurt umgelegt. Sie stiegen die Treppe hinauf, gefolgt von Mowgli, der sich den beiden unaufgefordert angeschlossen hatte.
    Das Haus schien ihre Ankunft im zweiten Stock zu kommentieren.Kaum hatten sie die Bodenplatte hinter sich geschlossen, ächzte das Gebälk und Fensterscheiben begannen zu klirren. Ein Windstoß erfasste die beiden, presste ihnen die Luft aus den Lungen und brachte ihre Haare zum Fliegen.
    »O mein Gott, es geht wieder los.«
    Obwohl es draußen heller Tag war, wirkte die Luft im Ballsaal diesig und schwer, und ein leichter Nebel stieg auf. Erkältungswetter, das den Körper angreift und Nährboden für Viren und Bakterien schafft, breitete sich aus, ein böses, niederträchtiges Klima. Die feuchte Kälte legte sich wie ein dünner Film über die Gesichter der beiden, und der kalte Wind, der aus dem Nichts kam, tat ein Übriges, ihnen Schauder über den Rücken zu jagen. Auch der Hund spürte die Bedrohung und übernahm die Führung   – mit bedächtigem Gang und gesenktem Schwanz machte er sich daran, den Saal zu durchqueren. Als sie in der Mitte des Raumes im Zentrum des Bodenfrieses angekommen waren und eine weitere Böe sie erfasste und mehrere Schritte rückwärts zwang, setzte der Lärm ein.

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