Ashby House
erfordert hätte.
Eine bedeutend größere Fraktion der Anwesenden hielt Laura Shalott für allein verantwortlich, einige wenige Betrachter glaubten jedoch fest an ihre Unschuld und vermuteten in dem mysteriösen Steerpike den Täter. (Kathy Claighbourne, die den Reportern aus dem »Star Inn« an den Tatort gefolgt war, zählte zu Lauras Verteidigern.) Wer wen aus welchem Grund in seine Gewalt gebracht hatte und jetzt im Haus gefangen hielt oder ob die beiden gemeinsame Sache machten, war Ausgangspunkt unzähliger Spekulationen. Auf den Gedanken, dass vielleicht beide unschuldig von einem Dritten (dem Haus) festgehalten wurden, war noch niemand gekommen. Die Hysterie, die in der Luft lag, vermittelte sich über den Äther, Radiowellen, Fernsehbilder und Internetseiten, und binnen kürzester Zeit war die ganze Nation, ja die gesamte westliche Welt angesteckt.
Zu der Trauer um den Weltstar und seine Haus-und-Hof-Fotografin gesellten sich Bestürzung, Wut und Hass. Anders als bei Prinzessin Dianas Unfalltod gab es jemanden, gegen den man seine Verachtung richten konnte. Die Welt hatte die Wahl zwischen einem gesichtslosen Butler und der bösen Schwester der Fotografin, die ja angeblich schon für die Verkrüppelung ihrer Schwester verantwortlich war.
Gar nicht schön für Laura Shalott, zu deren akutem Problem nun auch die lange befürchtete globale Verachtung kam.
»Was passiert hier, Steerpike? Was wissen Sie?«
»Ich kann nicht behaupten, dass ich es weiß, aber ich bin mir ziemlich sicher.«
»Raus damit! Was soll dieser ganze Spuk? Und wieso kennen Sie sich damit aus?«
»Ich habe etwas Ähnliches erlebt. Dies ist nicht mein erstes Spukhaus.«
»Ist das eine Art krankes Hobby von Ihnen?«
»Gewissermaßen. Aber ich habe das Hobby irgendwann zum Beruf gemacht.«
»Sie sind ein Ghostbuster?«
Er lächelte. »Ich würde es eher als Erforschung paranormaler Phänomene bezeichnen. Ashby House steht auf einer streng vertraulichen Liste der gefährlichsten Orte mit paranormaler Aktivität in Großbritannien. Die Organisation, für die ich tätig war, hat alle Untersuchungen abgebrochen, nachdem bei der ersten Expedition zwei Mitglieder verloren gegangen sind.«
»Was war das für eine Organisation?«
Er zögerte.
»Steerpike – wahrscheinlich kommen wir hier nicht lebend raus, also spannen Sie mich nicht auf die Folter.«
»Der Prince of Wales hat vor etwa fünfundzwanzig Jahren den Secret Service zu einer Konferenz einberufen. Sein Anliegen war der Schutz des britischen Kulturerbes. Und im Rahmen dieses Treffens forderte er den Secret Service auf, ausfindig zu machen, ob von den englischen Spukhäusern tatsächlich Gefahren ausgehen oder ob es sich um harmlose Phänomene handelt, die man möglicherweise nutzen könnte.«
»Vor ein paar Wochen hätte ich mich gefragt, ob der Mann noch bei Vernunft ist.«
»So hat der Secret Service zunächst auch reagiert, aber was soll man machen? Er ist der zukünftige König. Und ehrlich gesagt, ist es mir angenehmer, einen Esoteriker auf dem Thron als einen Kriegstreiber an der Macht zu sehen.«
»Schauen Sie mich nicht so an. Ich habe den Mann nicht gewählt. Wie ging es weiter?«
»Ein Forschungsteam wurde zusammengestellt. Wir waren ein Dutzend Secret-Service-Agenten, die in Crashkursen und Seminaren auf paranormale Phänomene vorbereitet wurden.«
»Wer hat Sie ausgebildet?«
»Menschen, die entsprechende Erlebnisse hatten, Psychologen, Historiker, Wissenschaftler sämtlicher Disziplinen. Für viele vermeintliche Geisterscheinungen gibt es ganz schlichte, normale Erklärungen. Zunächst waren wir alle skeptisch, aber nach unseren ersten Untersuchungen hat sich das geändert. Wir haben in insgesamt drei Forschungsobjekten Aktivitäten festgestellt, die nicht rational gedeutet werden konnten. Derlei Phänomene existieren tatsächlich. Nicht zuletzt hat uns Ashby House davon überzeugt.«
»Aber warum sind Sie wiedergekommen, obwohl Ihre Truppe die Forschung abgebrochen hat?«
»Neugier, gepaart mit wissenschaftlichem Ehrgeiz. Nachdem ich erfahren hatte, dass das Haus verkauft werden soll, bin ich sofort nach St. Just gereist. Es war meines Erachtens unverantwortlich, so einen Kauf zuzulassen, aber die regionalen Behörden hatten Dollarzeichen in den Augen. Ich kam zu spät. Ich habe den Makler unter Druck gesetzt, und er hat mir den Job als Butler besorgt.«
»Die Tatsache, dass Sie Lucille Shalott beschützen konnten, war sicherlich auch ein Anreiz
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