Ashes, Band 02: Tödliche Schatten (German Edition)
laaaaauf!« , schrie Grace, die Worte platzten aus ihr heraus, weil der Gedanke da war, ganz weit vorn in ihrem Kopf, und weil gerade noch genug Zeit war, gerade noch ge…
29
S echs weitere Ninja-Kids stapften aus dem Wald. Sie schufteten schwer, ihr Atem ballte sich zu weißen Wölkchen. Jedes hatte einen langen, feuerwehrroten Plastiklenkschlitten im Schlepp.
»O Gott.« Ruby schlug sich die Hand vor den Mund. »Sie haben Kinder dabei.«
Ingesamt zwölf. Mausetot. Mädchen und Jungen. Zwei pro Schlitten, achtlos übereinander gestapelt, schlaffe Arme und Beine und langes Haar schleiften im Schnee – ein Bild wie aus einem Konzentrationslager. Alex sah ein paar Kopfschüsse. Es gab keinen Zweifel, was so ein triefendes drittes Auge oder ein deformierter Schädel zu bedeuten hatte. Aber den meisten hatte man die Kehle durchgeschnitten, sie trugen einen breiten Latz aus gefrorenem Blut. Einige – die meisten – waren mit weit aufgerissenen Augen gestorben, und auch ihr Mund formte einen erstarrten letzten stummen Schrei.
Der den toten Kindern noch anhaftende Geruch ihrer Angst und ihres Entsetzens setzte sich in Alex’ Kehle fest. Aber da war auch ein Hauch Waffenöl und Pulver. Lösungsmittel – und Asche, zusammengekratzt aus einer geschwärzten Feuerstelle. Und da wusste sie: Das waren nicht bloß Kinder gewesen.
Sondern auch Soldaten.
Zwei weitere keuchende Ninja-Jugendliche tauchten auf. Auch sie zogen etwas und schwitzten dabei wie Viehzüchter, die einen widerspenstigen Bullen niederringen wollten.
Was der Wahrheit ziemlich nahe kam.
Er war so groß wie Chris und Wolf, aber muskulös wie Tom. Sein hellblondes Haar war mit einem Lederband zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie schätzte ihn ungefähr so alt wie Chris, ein Jahr hin oder her. Sein Parka war weit aufgerissen, an der linken unteren Seite von seinem Hemd breitete sich ein spinnenartiger Blutfleck aus. Noch mehr Blut verschmierte sein Gesicht und seine Halsbeuge. Die der Kälte ausgesetzten nackten Hände waren purpurrot.
»Sch-Sch-Schweine.« Der Junge wehrte sich, keuchte, jeder Atemzug ein stockender, gequälter Schluchzer. »Hätte euch umbringen sollen, als ich die Geleg…« Pickel hieb ihm die Faust in den Unterleib, und er stieß einen spitzen Schrei aus. Dann ließen ihn die beiden Ninjas los, und seine Beine klappten einfach unter ihm weg. Würgend fiel er in den Schnee und versuchte dabei, mit einer blutigen Hand die verletzte Seite zu schützen.
»B-bitte, lasst ihn frei.« Schmerz und Verzweiflung gruben tiefe Furchen in sein Gesicht. » Bitte. Ihr könnt mich haben, aber lasst … «
»Daniel?« Eine schrille Stimme aus dem Wald bohrte sich wie ein Speer in Alex’ Gehörgänge. »Daaaniiieel?«
»Ach, du Scheiße«, sagte Sharon.
Nein. Plötzlich brannten Alex Tränen in den Augen, zersplitterten den Feuerschein und ließen all diese Körper zu unscharfen Prismen in sämtlichen Regenbogenfarben werden. Bitte, nicht noch eins; das nicht auch noch.
Wieder ertönte der Schrei, aber diesmal unartikuliert, er formte kein Wort, sondern war pures Geräusch, dünn und hell wie ein Laserstrahl. Einen Augenblick später schob sich ein letzter Ninja ins Licht. Er zerrte irgendwas hinter sich her und taumelte ein bisschen vor Anstrengung, grinste aber breit wie ein Fischer, der gerade den Fang seines Lebens gemacht hatte.
»Ach, du lieber Gott«, sagte Ray.
30
A ls der Schuss ertönte, kramte Tom gerade im Werkzeugkasten eine kleine Taschenlampe zwischen die Zähne geklemmt, um beide Hände frei zu haben. Aufgeschreckt sprang er hoch und biss dabei auf Metall. Der Hund jaulte auf, dann knurrte er.
Was zum Teufel ist da los? Worauf schießt Jed? Da fing sein Ohr die winzige Unterbrechung auf, die überlappenden Echos, und sein auf Schusswechsel geeichter Verstand erfasste sofort: zwei Schüsse, höchstens eine halbe Sekunde hintereinander. Und ganz in der Nähe.
Jed! Der Kreuzschlitzschraubenzieher fiel klappernd auf den Beton. Tom knipste die Taschenlampe aus, schleuderte den Rucksack von der Schulter und hakte den Gewehrriemen auf. Im Laufen lud er eine Patrone in die Kammer und war schon fast aus der Tür, als er sich selbst zurückpfiff. Was immer auch geschehen ist, es ist bereits vorbei. Wenn du in einen Hinterhalt rennst, kannst du niemandem mehr helfen.
Zwei Schüsse, drei Möglichkeiten: Zwei Schützen, die beide praktisch im selben Moment auf Jed feuerten. Oder Jed hatte zuerst geschossen, und der
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