Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
ziemlich still.«
»Bin nur müde.« Alex zog die Schultern hoch, als der Wind eine Handvoll eisigen Schnee aufwirbelte, der im Schein ihrer Taschenlampe eine glitzernde Arabesque tanzte. Ein paar Schritte voraus sah sie die massige Silhouette ihres Wachmanns und die aufblitzenden Schneeflocken im harten weißen Licht seiner Laterne.
»Es tut mir wirklich leid, was passiert ist«, meinte Sarah.
»Was denn?«
»Na, das im Gerichtsgebäude. Es hat sich schon im ganzen Ort herumgesprochen, wie du diesen Kerl, Harlan, erkannt hast. Peter sagt, Harlan hat dieses kleine Mädchen ganz allein da draußen gelassen.«
»Ellie. Ja.« Alex schämte sich ein bisschen dafür, dass sie nicht an Ellie oder Harlan gedacht hatte, sondern an Kincaid. Mochte er auch nur ein Landarzt sein, war er doch schlau genug gewesen, um auf das Monster zu kommen. Wahrscheinlich, überlegte Alex, hätte sie ihn auch belügen können, schließlich konnte Kincaid nicht in ihren Kopf schauen. Aber ihr war leichter ums Herz geworden, als sie es ihm erzählt hatte.
Interessant war auch, was er über das Monster gesagt hatte: Man kann nicht wissen, ob der Tumor verschwunden oder zerstört oder inaktiv ist. Möglicherweise haben ihn die EMPs kurzgeschlossen. Oder auch irgendwie neu geordnet, sodass er nicht mehr zerstörerisch wirkt, sondern ein funktionsfähiges Organ geworden ist, so etwas wie ein weiterer Hirnlappen.
Vielleicht auch beides. Sie erinnerte sich, dass ihr direkt nach dem Angriff schlecht geworden war – genau wie bei den Chemobehandlungen. Sie hatte angenommen, dass die EMPs schuld daran waren, aber ihr Hirn war proppenvoll mit Nanosensoren, die mit einem neuartigen, noch unerprobten Medikament gefüllt waren. Dr. Barrett hatte die Kapseln nicht dazu bringen können, ihren Inhalt freizusetzen, denn die optischen Sonden, die auf Licht reagierten, hatten nicht funktioniert. Licht war aber nur eine sichtbare Form elektromagnetischer Strahlung – eine andere Art von elektromagnetischem Impuls. Vielleicht waren also die EMPs stark genug gewesen, um die Nanosensoren auszulösen. Das Monster war dann entweder gestorben, oder es hatte sich auf irgendeine Weise verändert, so wie sie ja auch.
Nichts von all dem konnte sie Sarah anvertrauen. »Ist schon okay. Ich meine, es ist natürlich nicht okay, aber ich verstehe, warum Chris nicht nach Ellie suchen wollte, nur …« Sie stieß einen Seufzer aus, der im Wind unterging. »Besser fühle ich mich dadurch auch nicht.«
Sarah schwieg, während sie warteten, bis Ghost sein Geschäft erledigt hatte. »Ich glaube, sie tun, was sie können«, meinte sie schließlich. »Sie sorgen dafür, dass wir ein Dach über dem Kopf und zu essen haben und so.«
»Das heißt aber noch nicht, dass wir glücklich oder frei wären.«
»Die Leute haben versucht, dich umzubringen«, gab Sarah zu bedenken. »Ich wette, es gibt da draußen Leute, die uns alle umbringen würden, wenn sie könnten.«
Was hatte Larry gesagt: Ihr seid eine vom Aussterben bedrohte Art . »Ja, aber wer wäre dann noch übrig? Lena hat recht. Sie brauchen uns. Ich meine, schau dir doch mal diese Leute an, die sind richtig alt. Irgendwann können sie nicht mehr, und dann sind sie darauf angewiesen, dass wir uns um sie kümmern.«
»Na ja«, sagte Sarah, »ich glaube nicht, dass das der einzige …«
Von fern waren plötzlich Schüsse zu hören. Schlag auf Schlag, sie überlagerten sich fast. Gewehre, und wahrscheinlich mehr als ein Schütze , dachte Alex. Ghost zuckte zusammen und versuchte sich hinter Alex’ Beinen zu verstecken, wobei er seine Leine um ihre Waden wickelte. Vom Ende des Blocks eilte der Wachmann zu ihnen zurück.
»Habt ihr’s bald, Mädels?«, fragte er. Sein eigener Hund, eine langhaarige Promenadenmischung, sauste um Alex herum und blieb dann geduldig stehen, während der Welpe ihn beschnüffelte und freudig um ihn herumscharwenzelte.
»Auf wen schießen sie?«, fragte Alex.
Der Mann zuckte mit den Achseln und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Könnten Veränderte sein, aber die behelligen uns nicht mehr so oft. Ich wette zehn zu eins, dass es Plünderer sind. Die versuchen nachts immer wieder, sich durch die Wälder anzupirschen. Schön blöd, wenn ihr mich fragt.«
»Warum?«, wollte Alex wissen.
»Weil die anderen auch nachts rauskommen«, erklärte Sarah.
»Doppeltes Risiko, doppelter Spaß«, meinte der frierende Wachposten und trat von einem Fuß auf den anderen. »Wir haben unseren
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