Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
Handy Bescheid sagen. Überwachte er sie? Wenn ja, verhieß das nichts Gutes.
Im Gegensatz zum Vormittag redeten sie jetzt kaum miteinander, nur Hi, wie geht’s? Bestens, danke. Schön . Und das war in Ordnung so. Als sie die Sackgasse erreichten, in der Jess’ Haus stand, stieg er ab, wartete, bis Alex Honey in den Stall am Ende der Straße gebracht hatte, und begleitete sie danach zur Haustür. Sie wünschte ihm eine gute Nacht und bedankte sich, er nickte und sagte nichts. Das war alles.
Und es war gut so.
Chris tauchte auch am nächsten Tag auf, allerdings nicht mehr am dritten, vierten, fünften oder sechsten. Stattdessen wurde sie nun von Greg begleitet, der sie wegen Tori löcherte. Im Unterschied zu Chris war Greg eher der redselige und gesellige Typ. Und so brachte Alex in Erfahrung, dass am südwestlichen Ortsrand die wenigsten Patrouillen unterwegs waren und wo die Vorräte – Rucksäcke, Lebensmittel, Kleider – aufbewahrt wurden. »Wir haben sogar mehrere Treibstofflager«, erzählte Greg. »Haben Benzin und Diesel aus Autos und Lastern abgesaugt. Ich denke, das werden wir im Frühjahr für Traktoren und Kettensägen und so benutzen.«
»Warum nicht gleich jetzt?«, fragte sie. »Würden nicht ein paar Schneemobile funktionieren?«
»Doch, notfalls könnten wir auch die einsetzen. Aber Treibstoff wird sehr, sehr lange Zeit nicht mehr produziert werden. Wenn wir unsere Vorräte aufgebraucht haben, war’s das. Vielleicht finden wir einen Weg, um das Benzin aus den unterirdischen Tanks an den Tankstellen hochzupumpen, aber dafür brauchen wir die Hilfe eines Ingenieurs. Und selbst wenn wir an den Treibstoff rankommen, bleibt das Problem, dass er irgendwann zur Neige gehen wird. Und irgendwie ist es doch auch unheimlich mit diesen Motoren, die so viel Krach machen, nicht? Wie auch immer, der Rat will, dass wir möglichst autark und einfach leben, wie die Amish People. Was wir eigentlich auch schon früher getan haben, bevor … du weißt schon. Deshalb haben so viele Häuser Handpumpen und so was, um Wasser raufzubefördern. Ohne die wären wir total aufgeschmissen.«
Nach dieser Logik, dachte Alex, müssten Peter, Chris und all die anderen Hirschlederkleidung tragen und ihre Feuerwaffen gegen Pfeil und Bogen eintauschen. Oder Knüppel. »Was ist mit den Leuten, die ihr wegschickt? Ihr werft sie doch nicht einfach ohne irgendwas hinaus, oder?«
Erschrocken legte Greg die Stirn in Falten. »Aber nein, das wäre doch … verkehrt . Sie bekommen einen Rucksack und Vorräte, Proviant und Wasser für ein paar Tage und so was.«
»Was ist mit Waffen? Die brauchen sie doch auch, oder?«
»Schon, aber …« Greg rümpfte die Nase, »dann würden sie am Ende noch auf uns schießen.«
»Stimmt auch wieder.« Alex deutete auf sein Gewehr. »Hübsches Teil. Eine Henry, oder?«
Greg strahlte. »Ja, ein klasse Ding. Eine Big Boy Magnum, Kaliber 44. Hat eine enorme Reichweite. Für Patrouillengänge hab ich auch noch eine Bushmaster M4. Wir haben ja einen Mordswaffenvorrat.«
»Cool. Wo denn?«
»Na ja, ein paar Waffen hat jeder von uns zu Hause, aber die meisten liegen abgesperrt im Gemeindehaus, im Keller unter dem Gefängnis. Da ist auch die Munition. Ist so ziemlich der sicherste Platz in Rule.«
Das hörte sich nicht gut an. Alex würde wohl kaum einen plausiblen Vorwand finden, um in diesen Keller gelangen und Munition klauen zu können, geschweige denn durch eine verschlossene Tür zu kommen. Also hieß das, dass sie bei jemandem zu Hause eine Waffe stehlen musste. Ob Jess wohl eine Schusswaffe besaß? Nein, als Mädchen wahrscheinlich nicht. Dann eben bei einem von den Männern, vielleicht bei Kincaid …
Das würde sie herausfinden. Es blieb ihr nichts anderes übrig.
Am Sonntag war Kirche. Der Rat saß auf hohen Stühlen neben der Kanzel, während der Reverend den Gottesdienst hielt, einen am frühen und einen am späteren Vormittag, und alle Einwohner besuchten den einen oder den anderen. Jess hingegen bestand darauf, dass Alex und die anderen Mädchen zu beiden Gottesdiensten gingen, was Alex tödlich langweilte. Der Gottesdienst entsprach so ziemlich dem, was sie erwartet hatte: ein paar Lesungen, ein paar Lieder, eine Predigt, noch mehr Lieder und schließlich Gehet hin und werdet unter die Rechtschaffenen gerechnet . Yeager erging sich vor allem in Schöne-Neue-Welt-Apokalypsen – wie viel schwärzer als schwarz die Welt werden könne, wie Gott solches Leid zulassen könne und so
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