Ashes Bd. 1 Brennendes Herz
acht. Zwei auf Pferden links und rechts vom Karren, Peter ritt voran und ein anderer bildete das Schlusslicht. Chris kutschierte, und Alex saß zwischen ihm und Jet auf dem Kutschbock. Der Welpe hatte sich in ihrem Schoß zusammengerollt.
»Nettes Tier«, sagte Chris.
»Was?« Ihr dröhnten die Ohren, so laut war alles: das Quietschen des Fuhrwerks, das Klirren der Zugriemen, das Klipp-klapp der Hufe. Nach Tagen des Herumschleichens, des Versteckspiels im Wald, wo sie jedes Mal beinahe einen Herzschlag bekommen hatte, wenn auch nur ein Zweig knackte, setzte ihr der Lärm ziemlich zu.
»Dein Welpe. Gibt hier nicht viele Weimaraner.«
»Weimaraner?«
»Das ist eine Hunderasse. Aus dem wird mal ein großer Kerl. Und wenn ich mich nicht irre, auch ein Geist.« Als sie ihn verwirrt ansah, hob sich ein Mundwinkel in der Andeutung eines Lächelns. »Du weißt nicht viel über Hunde, was?«
Nur dass sie mich plötzlich mögen. »Ich hatte nie einen.«
»Es ist wegen der Fellfarbe. Weimaraner mit diesem Grauton heißen auch ›gray ghosts‹, graue Geister. Hat er einen Namen?«
»Dafür hatte ich noch keine Zeit.« Alex betrachtete den Hund. »Ghost gefällt mir.«
»Taugt als Name so gut wie jeder andere. Allerdings muss ihn unser Tierarzt erst kurz untersuchen, bevor wir ihn reinlassen können.«
»Ihr habt einen Tierarzt?«
»Ja, und wir könnten noch ein paar mehr gebrauchen. Bei uns gibt’s eine Menge Vieh und dann natürlich die vielen Hunde. Aber es kommen ganze Heerscharen hier lang, da wird auch mal ein Tierarzt dabei sein.«
Alex erinnerte sich an die Debatte über Tom. Wir brauchen ihn. »Das macht ihr an den Straßensperren? Ihr selektiert die Leute?«
»M-hm.«
»Klingt nicht gerade schuldbewusst.«
Selbst in dem sonderbaren Mondlicht waren Chris’ Augen und seine Haare so dunkel wie sein Geruch. »Es muss sein.«
»Wie könnt ihr Leute abweisen?«
»Uns bleibt nichts anderes übrig. Unsere Vorräte sind begrenzt. Ob jemand bleiben darf, hängt davon ab, was er zur Versorgung beiträgt.«
»Ganz schön brutal.«
»Es geht nicht anders. Wir haben nur begrenzte Vorräte und müssen deshalb mit unserem Bedarf abstimmen, wen wir reinbringen. Im Augenblick brauchen wir Arbeiter, die sich um das Vieh kümmern und Wartungsarbeiten übernehmen können. Wir brauchen Männer an den Straßenposten. Im Frühjahr müssen die Felder bestellt, neues Saatgut ausgebracht werden, dann werden wir mehr reinlassen … das heißt, wenn dann noch Leute kommen.«
»Und wer entscheidet das? Peter?«
»Nein. Der Rat der Fünf.«
Sie runzelte die Stirn. »So etwas wie ein Gemeinderat?«
»Nein«, schüttelte Chris den Kopf. »Eher ein Ältestenrat.«
Sie hätte fast herausgelacht. »Inzwischen gibt es fast nur noch Ältere.«
»Ja, außer uns. Aber diese Männer kommen aus Familien, deren Wurzeln weit in die Vergangenheit zurückreichen. Zum Beispiel die Familie des Reverend, die Yeagers, die haben Rule praktisch gegründet, und immer ist ein Yeager Vorsitzender des Rats gewesen. Soweit ich es verstanden habe, lenkt der Rat der Fünf die Geschicke von Rule schon seit langer Zeit.«
Bei ihr klingelte etwas. »Hat Peter nicht gesagt, der Reverend sei dein Großvater? Aber dein Nachname ist Prentiss.«
»Stimmt. Und ich hab ihn auch erst vor Kurzem kennengelernt.«
»Du hast also nicht hier gewohnt?«
Sie spürte eine plötzliche Vorsicht, eine Reserviertheit, die nach Scham und Geheimnis roch, und sein Geruch wurde noch dunkler. «Nein, ich komme aus Merton, knapp hundert Kilometer südöstlich von hier. Und du?«
»Aus Evanston. Illinois. Gleich um die Ecke von der Northwestern University.«
Ein Hauch von Belustigung. »Dort hab ich mich gerade beworben. War allerdings nicht meine erste Wahl.«
Aha, er war also in der Abschlussklasse, das hieß achtzehn oder neunzehn. »Und die wäre gewesen?«
»Ist jetzt auch egal, oder?«
Autsch. Sie spürte, wie eine Barriere runterkrachte, demnach würde sie darauf keine Antwort bekommen. Also beobachtete sie stattdessen, wie Wolken vor diesem merkwürdigen Mond vorbeizogen. Schniefend vergrub sich der Welpe tiefer in ihrem Schoß.
»Entschuldigung«, sagte Chris. »Ich mag einfach nicht zurückblicken. Hat keinen Sinn. Ist sowieso alles den Bach runter.«
»Woher weißt du das?«
»Wir haben ein altes Funkgerät aufgestöbert, das noch funktioniert.«
Ihr Herzschlag setzte aus. Als Harlan und Brett den Laster klauten, hatten sie auch das Funkgerät der Ranger
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