Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
Jasper gesagt hatte.
Jetzt, da Finn das Signal aussandte, als er sich ihr zeigte in der Woge des roten Sturms und sie von der hämmernden, dröhnenden, rasenden Macht des Pusch-pusch-los-los durchdrungen wurde, gab Alex jeden Widerstand auf. Sie ließ alle Grenzen und Mauern fallen, hielt nichts mehr zurück, denn das war der Sprung, auf den ihr Vater sie vor all den Jahren an den Blackrocks-Klippen vorbereitet hatte, mochte er es gewusst haben oder nicht: Los, Schatz, komm, spring zu mir runter . Nutz deine Chance und spring . Das war das Ende, und zwar für immer und ewig, tu es, Alex, tu es, tu es aus Liebe, tu es für Tom, rette ihn, denn du hast nur noch diesen letzten, einzigen Zug.
Sie spürte es wieder. Dasselbe ballonartige Schweben, diese Verschiebung und Entrückung.
Sie sammelte sich, bündelte so viel wie möglich von der irrwitzigen Energie des Monsters, überwand die letzten Hindernisse, riss sämtliche inneren Schutzmauern nieder. Und dann sprang sie, fiel zusammen mit dem Monster in die Tiefe und stürzte in die tosende rote Flut des Pusch-pusch-los-los , die über Davey und die anderen Veränderten hinwegspülte, während das Monster – ein Wirbel aus gelben Augen, Nadelzähnen und Schuppenarmen – aus seiner tiefen dunklen Höhle hervorschoss, sich plötzlich zu einer Blüte aus Blut entfaltete und sich in Davey ergoss, in die mutierten Veränderten und in alle anderen, sogar in Peter: Los-los-los-los-LOSLOSLOS …
» N-n ein, Finn.« Mühsam stieß Alex jedes einzelne Wort hervor, und Tom nahm das Gift in ihrer Stimme wahr, die fast wie ein Knurren klang. » I-c h w-w erd es … I-i hnen zeigen!«
Ihr Rücken wölbte sich, ihre Augen funkelten. Nackte Wut verzerrte ihre Gesichtszüge, wie Tom es aus der Schlacht kannte, wenn der Feind über die Felsen stürmte und man keine Munition mehr hatte und alles, was einem noch blieb, alles, was das Leben vom Tod trennte, der hauchdünne Vorsprung des Instinkts war, das, was der Körper wusste und tun würde, um bis zum letzten Moment weiterzuleben. Alex schien vor seinen Augen zu etwas Neuem heranzuwachsen, aus einem Kokon auszubrechen, etwas nicht ganz Menschliches zu offenbaren, das hinter ihren Augen lebte. Hinter dem Antlitz dieses Mädchens, das wie mit einem Diamanten in sein Gedächtnis eingraviert war und das er dennoch nie wirklich gekannt oder gesehen hatte. Bis zu diesem Moment, als sie die Maske fallen ließ, es wagte, aus sich herauszutreten und sich zu zeigen, und dabei alles riskierte.
Für einen Sekundenbruchteil zog sich die Zeit zusammen, schwoll an wie eine zitternde Träne kurz vor dem Fall – um dann plötzlich zu zerplatzen.
Alex heulte . Ein Laut wie eine Totenklage, klar und durchdringend wie die Trillerpfeife ihres Vaters, die aus der endlosen Nacht tiefer Verzweiflung, von dem finsteren Ort, wo die Monster hausten, an sein Ohr gedrungen war. Zugleich war es auch ein Brüllen, ein Schlachtruf: ein rasendes Crescendo, das sich immer und immer weiter steigerte, das Tom die Haare zu Berge stehen und sein Herz bis zum Hals schlagen ließ.
»Alex!« Er musste irgendetwas tun, musste das durchbrechen, sie zurückholen, sie von hier fortbringen! Die Wachen waren zurückgewichen, alle schienen wie erstarrt zu sein. Ohne es zu merken, hatte sogar Tom einen Schritt zurückgemacht, doch jetzt trat er vor, auch wenn er keine Ahnung hatte, was er tun wollte. Er wusste nur, dass er sie von hier wegbringen musste …
Doch da, links von ihm, nur ein Stück hinter Finn, riss Davey den Kopf hoch, und seine irren knallroten Augen weiteten sich, als er losbrüllte und in Alex’ Schrei einstimmte. Rechts von ihm stieß Peter ein Heulen aus, Simon und Penny begannen zu kreischen, und dann fielen alle Veränderten ein, ob mutiert oder nicht. Ihr Schrei schwoll an, wurde zu einem wahnsinnigen Brüllen, vielstimmig und zugleich eins, verschmolzen zu einem einzigen Ton, und das war Alex’ Stimme. Es war Alex, und sie sagte …
Nicht weit von Rule entfernt, noch im Wald, aber schon auf der Straße zum Hospiz, brachte Chris sein Pferd abrupt zum Stehen. Von weiter vorn wogte ein schauderhaftes Brüllen heran. Es war wie im Fernsehen, wenn sein Vater an den Herbstsamstagen Bier in sich hineinschüttete und auf die Michigan Wolverines schimpfte: diese spezielle Art von anfeuerndem Geschrei, das das Publikum bei einem ausverkauften College-Football-Spiel ausstieß. Doch dieses Brüllen hatte auch etwas Unheimliches. Es war wie ein
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