Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
Alex sprang wieder in den Schnee, machte ein paar Schritte zurück, beäugte den Stamm und sagte sich: Scheiß drauf . Wenn es beim ersten Mal nicht klappte, würde sie es sein lassen. Dann holte sie mit dem rechten Bein aus, drehte sich in der Hüfte und trat rasch und entschieden nach oben. Ihre Stiefelsohle vibrierte vom Aufprall, doch zu ihrer Überraschung brach sie sich weder Fuß noch Knöchel dabei. Es tat nicht einmal besonders weh. Kracks , und das Brett brach da, wo es festgenagelt war, mit einem gezackten Riss auseinander.
Ausgezeichnet. Sie angelte die splittrigen Holzteile aus dem Schnee und platzierte sie nah am Stamm. Dann ließ sie sich in den Schnee fallen und ruderte dabei mit Armen und Beinen. So. Sie schüttelte sich den Schnee aus den Haaren und rappelte sich auf. Wenn das nicht aussah, als ob sie versucht hätte, ins Baumhaus zu kommen, dabei aber in den Schnee gefallen war, als das Brett brach, wusste sie auch nicht.
Okay, und jetzt zeig ihnen panische Angst. Sie polterte durch unberührten Schnee, ging auf die dicht nebeneinanderstehenden Hemlocktännchen los, brach Äste ab und warf wild mit Grünzeug um sich. Jeder wüsste bei diesem Anblick, dass ein verängstigtes kleines Hasenherz von Mädchen so außer sich geraten war, dass es versucht hatte, sich schnurstracks, ohne nach links oder rechts oder nach hinten zu schauen, durch den Wald zu schlagen. Da musste doch der letzte Depp draufkommen.
Dann stapfte sie zu der Fichte mit den schneebeladenen Ästen und zwängte sich durch den aufgestauten Schnee in eine nach Fichtennadeln duftende Höhle. Die Zweige bildeten eine Glocke, die kaum Licht einließ und fast bis zum Boden reichte. Es war etwas wärmer hier, abgestorbene braune Nadeln polsterten den Boden. Alex ließ sich auf den Hintern fallen, warf den Rucksack ab und schob ihn so nah wie möglich an den Stamm. Als sie die rußverschmierten Stiefel auszog, zögerte sie kurz, dann streifte sie auch die Socken ab und stopfte sie hinein. Zwar würden Socken ihre Füße vor Kälte und den Fichtennadeln schützen, aber sie wäre auch langsamer damit, und sie hatte das Gefühl, dass ihr Plan nur auf Anhieb oder gar nicht funktionierte. Sie stellte die Stiefel ordentlich nebeneinander unter einen dick verschneiten Ast und schlängelte sich aus der Höhle. Bereits als sie zurückkroch, beschwerten sich ihre nackten Füße. Alex beäugte den Spalt zwischen den tief hängenden Ästen und dem Schnee: Die Stiefelspitzen waren gerade noch zu sehen.
Okay, das musste reichen. Wenn sie Glück hatte, würde es für ihre Verfolger so aussehen, als hätte sie es erst mit dem Baumhaus versucht, aber einen Riesenschreck gekriegt, als das Brett runtergekracht war, sodass sie sich dann mühsam durch die Hemlockschonung gekämpft hatte, bis sie aufgab und sich wie ein verschrecktes Kaninchen unter die Fichte kauerte.
Sie krabbelte wieder in ihre Höhle und wand sich dabei aus ihrem rußigen, aber immer noch vorwiegend weißen Parka, zog ihn sich über den Kopf und ging in die Hocke. Lange würden ihre Waden das nicht mitmachen. Wenigstens würde sie das ein bisschen von ihren nervenden Füßen und ihren vor Kälte brennenden Zehen ablenken. Aber Schmerz war gut, dadurch blieb sie wachsam. Auf den ersten Blick sollte sie nun mit dem übergezogenen Parka wie ein Schneehaufen aussehen. Die Stiefel waren es, auf die sie die Blicke der Verfolger lenken wollte. Und was danach geschehen würde … darüber war sie sich noch nicht im Klaren. Die Leuchtpistole war zu laut. Das Tanto? Lange Schneide, lag gut in der Hand, aber was taugte ein Messer bei einer Schießerei?
Da hörte sie, wie ein Zweig brach. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Links von ihr wurde der menschliche Gestank stärker, und …
O nein, nein, nein! Ihre Nackenhaare sträubten sich, als ihr von rechts ein anderer Geruch in die Nase stieg, aus größerer Entfernung zwar, aber diese Chemotherapie-Note, Cisplatin mit Fäulnis, war eindeutig.
Ein Veränderter, wahrscheinlich der Junge von vorhin. Sie kommen aus beiden Richtungen auf mich zu.
Alex fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Aus diesem Zangengriff gab es kein Entkommen. Aber wenn sie an ein Gewehr herankäme, wenn sie kämpfen könnte … Sie dürfen mich nicht kriegen. Vorsichtig zog sie den Parka mit den Fingern so weit zurück, bis sie einen Schimmer Tageslicht sehen konnte. Sie werden dasselbe mit mir machen wie mit Peter. Oder Schlimmeres. Nach dem roten Sturm zu urteilen,
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