Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
Campingtisch und griff in seine Brusttasche. »Immer wieder vergesse ich, dass du eine viel wirksamere Waffe gegen dich selbst bist als ich oder jeder andere es je sein könnte.« Mit einem Stofftaschentuch wischte sich Finn sorgfältig das Blut von den Fingern. »Denk dran: Ich kann geben und nehmen, Peter.« Er faltete das Taschentuch zu einem Dreieck zusammen und steckte es ein. »Geben«, Finns Blick löste sich von Peter, »und … «
»Nein!« Peter schlug um sich, kämpfte gegen das Halsband. »Nein, Finn, lassen Sie ihn in Ruhe, nicht … «
Aber Simon schrie bereits.
24
A ls sie allmählich wieder zurückfand in das Schweigen der Wälder und der blauen Schatten, die Gedanken dunkel und unbestimmt, die Augen geschlossen, der Körper reglos wie eine Salzsäule, war das wie ein Erwachen aus einem langen, traumlosen Schlaf. Der Wolfshund war immer noch an ihrer Seite. Die einzigen Gerüche, die noch durch den Wald zogen, waren die nach verbranntem Holz, verkohltem Stein, verschmorten Knochen. Gegrillte Wolfskadaver und geschmolzenes Nylon. Aber keine Veränderten, kein Finn. Kein Wolf, keine Penny. Keine Menschen.
Ihre nackten Füße waren weiß und so kalt, dass ihr Tränen in die Augen traten, als sie mit den Zehen voran in die Socken und dann in die Stiefel schlüpfte. Schwankend rappelte sie sich hoch und humpelte, auf die Springfield des Jägers gestützt wie auf eine Krücke, aus dem Gestrüpp heraus.
Der Jäger lag noch genauso da wie vorhin. Nur sein Funkgerät fehlte. Interessant. Die Leiche könnte Finns Methode sein, ihr zu sagen, wie gleichgültig ihm der Tote war. Vielleicht würde Finn auch irgendwann wiederkommen und nachsehen, ob andere Veränderte sich den Köder geschnappt hatten, aber das glaubte sie eher nicht.
Damit blieb eine dritte Möglichkeit. Der Mann in Schwarz hatte sozusagen Trockenfutter für ein streunendes Tier ausgestreut: Komm her, Miez, Miez. Hab keine Angst. Wenn das zutraf, hielt er sie wohl auch für eine Veränderte. Also hatte Finn mit seinem Gerede nur geblufft, nur im Trüben gefischt? Vielleicht.
Mit Sicherheit konnte Finn nur eines wissen: Ob verändert oder nicht, sie war die Einzige, die davongekommen war.
Die Leiche des Jägers zu fleddern war kein Vergnügen, aber der Kerl hatte eine Menge nützliches Zeug dabei. Außer der Munition in seiner schicken Tarnjacke steckte noch ein Päckchen 165 grain SST -Geschosse in seiner Cargohose, eine kleine Stirnlampe sowie ein Magnesium-Feueranzünder, eine Bonbondose mit Holzteer, eine Rettungsdecke, ein kleines Jutebündel und eine Plastiktüte mit vaselinegetränkten Wattebällchen. In einer Lederscheide an seinem Gürtel steckte ein gut zwanzig Zentimeter langes Buck-Messer. Alex stopfte alles in ihre Sanitätertasche. Als sie ihm den Schal und die Rollmütze abnahm, fühlte sie sich wie eine Grabräuberin. Das Zeug roch nach totem alten Mann, aber sie brauchte die Sachen.
Das Haus war eine schwelende Ruine in einem Krater aus Schutt und geschmolzenem Schnee, der bereits wieder gefror. Von den Wolfskadavern war nur noch der eine übrig, der neben dem Proviantsack hing. Durch die Hitze des Brandes war der Kadaver regelrecht gegrillt worden, der Proviantsack teilweise geschmolzen. Die darin enthaltenen Leichenteile – ein Rippenbogen, ein Unterleib von der Taille bis zum Schritt, ein Bein – lagen nun auf einem Haufen im Schnee. Der verkohlte Wolf roch nach angesengten Autoreifen, das Menschenfleisch nach zu scharf gebratenen Schweinelendchen. Alle Toten, ob verändert oder nicht, glichen zerbröselnden Strichmännchen mit seltsam weißen Zähnen, die aus lippenlosen geschwärzten Schädeln grinsten.
Alex umrundete den Krater bis zu der Seite, wo die Veranda gewesen war. Kein Wolf, keine Penny, aber eine Menge Fußspuren. Kein Blut. Sie haben Wolf nichts getan, sie haben ihn lebend mitgenommen. Eine Welle der Erleichterung ließ ihre Knie zittern. Warum sie erleichtert war … darüber wollte sie im Moment nicht nachdenken.
»Aber Finn muss wegen des Babys gekommen sein«, sagte sie zu dem Wolfshund. »Er experimentiert ja schon mit den Veränderten. Und ich glaube, er versucht dasselbe mit dem armen Peter.« Sollte sie dagegen etwas unternehmen?
Nein, bessere Frage: Musste sie überhaupt etwas unternehmen?
Sie konnte handeln, wenn sie wollte. Sie hatte einen Vorteil, einen kleinen Wissensvorsprung vor Finn.
Erst hatte sie gedacht, dieses ganze Theater mit den Wölfen sei eine Art verrückte Religion,
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