Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
ch mag Feuer.« Nachdem er noch ein Marshmallow aufgespießt hatte, hielt er seinen Stock im genau richtigen Abstand über die Flammen. »Eigentlich mag ich vor allem S’mores … he, deine verbrennen ja!«
»So hab ich sie am liebsten.« Peter leckte sich die Finger ab, um sich nicht zu verbrennen, legte seine geschwärzten geschmolzenen Marshmallows mit Schokoladenstücken auf einen Butterkeks, vervollständigte sein Sandwich mit einem Keks obendrauf und drückte das Ganze zusammen, bis weiße Marshmallow-Lava hervorquoll. Dann steckte er sich den Leckerbissen in den Mund. »Und geht schneller«, sagte er, den Mund voller S’more-Pampe. »Was ist mit dir? Soll mir etwa ganz alleine schlecht werden?«
»Nein.« Chris hielt seine Marshmallows aber nicht näher ans Feuer. Er blickte zum Himmel auf, zu milchig weißen Sternen. Das Rund des Monds leuchtete weißer als ein Marshmallow herab.
Das stimmt doch nicht . Als ihm plötzlich der Brustkorb wehtat, verzog er das Gesicht. Was für ein seltsamer Druck. Ich träume wieder.
»Ich hab’s nicht eilig.« Die Flammen loderten. Vor Chris’ Mund bildeten sich Atemwölkchen, aber weder er noch Peter trugen Jacken oder auch nur Wanderstiefel – bloß Jeans, T-S hirt, Turnschuhe. »Mir gefällt’s hier.«
»Mir auch«, sagte Peter kauend. Sein Haar wallte um seine Schultern wie gesponnenes Gold, seine Augen waren blaue Diamanten. »Das ist mir einer der liebsten Plätze auf der Welt.«
»Aber wir können doch nicht wirklich hier sein, oder?« Chris kam es vor, als befänden sie sich auf einem Berggipfel, hoch über einem Tal. Doch es gab nur das Lagerfeuer auf einem Felsplateau, dahinter nichts als schwarze Leere. Mit all den Sternen ringsum waren sie also vielleicht im Weltraum. Oder im Himmel.
»Nein. Ein Feuer darf es hier eigentlich nicht geben, aber das ist mein Platz, es sind meine Regeln. Und meine Marshmallows.« Peter schluckte, leckte sich mit der Zunge einen geschmolzenen Klecks von der Lippe und stöhnte. »Und meine Schokolade. Mannomann, ich habe ganz vergessen, wie gut das schmeckt.«
»Wir sind also in deinem Kopf?«
»Gewissermaßen. Eher in … einem Tagtraum. Mein Rückzugsort. Sozusagen da, wo der letzte Teil von mir lebt.« Peter spießte erneut Marshmallows auf seinen Stock. »Machen wir mal besser voran mit unseren S’mores, bevor sie dich zurückholen.«
Zurückholen? »Wie viel Zeit haben wir noch? Ich vermisse unsere Gespräche.« Das hatte er eigentlich nicht sagen wollen, aber die Wahrheit war nun mal peinlich. Er zuckte zusammen, als ihm wieder ein Stich in die Brust fuhr. »Was ist das? Es fühlt sich an, als würde mir einer auf die Brust schlagen.«
»Das tut er auch. Um dir das Leben zu retten.«
»Was?« Er versuchte zu verarbeiten, was Peter gerade gesagt hatte, und erinnerte sich an Jess’ Warnung oder vielleicht auch … Prophezeiung: Jemand wird sterben. Jemand muss sterben . »Um mir das Leben zu retten? Du meinst, ich … «
» So knapp davor.« Peter deutete mit Daumen und Zeigefinger eine sehr kleine Spanne an. »Herzstillstand, und du atmest auch nicht mehr. Ich glaube, Tom hat dir eine Rippe gebrochen. Einer vom Roten Kreuz, der die Hilfssheriffs mal in Herz-Lungen-Wiederbelebung ausgebildet hat, meinte, das kommt öfters vor.«
»Tom.« Chris blinzelte. »Alex’ Tom?«
»Ja, Al…« Peter schien sich selbst bei etwas zu ertappen. »Der von ihr, ja«, sagte er und knabberte an einem Marshmallow. »Weißt du, dass die auch roh schmecken? Hab ich ganz vergessen. Das ist das Blöde daran: Ich kann zwar herkommen, aber danach erinnere ich mich nicht an dich und auch nicht an so was. Nur auf diese Weise kann ich das alles vor ihm geheim halten. Es ist, als würde ich hinter einem Einwegspiegel sitzen, wie in so einem Verhörraum, nur dass ich nicht ins Mikro sprechen kann und niemand draußen weiß, dass ich hier bin.«
Diesmal war es ganz anders als bei seinen früheren Traumerlebnissen. Chris fühlte sich … sicherer. »Warum sehe ich dich nicht in einem Albtraum? Sonst war das immer so«, sagte Chris und dachte dabei, dass er auch noch nie so oft hintereinander dem Tod von der Schippe gesprungen war. Er starrte auf seinen Stock mit den Marshmallows, die einfach nicht braun werden wollten – was war denn mit denen los? Einer Eingebung folgend, warf er sie ins Feuer. Nichts geschah. Die Marshmallows warfen keine Blasen und wurden auch nicht schwarz. Da zog er den Stock zurück, brach die Holzspitze ab
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