Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
, aber deutlich genug, um ihn als solchen zu erkennen. Doch es blieb bei diesem einen, es gab keinen Schusswechsel. Und gerufen oder geschrien hatte auch niemand, was sie vermutlich sogar bis hierher gehört hätte, weil es so unheimlich still war.
Jedenfalls würde sie nicht einfach losrennen, um zu schauen, was passiert war. So was machten nur kleine Kinder. Allerdings sollte sie wohl etwas unternehmen, denn so, wie sie es momentan sah, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder war Chris oder Jayden hingefallen und rappelte sich gerade auf oder sie waren beide von einer Horde Menschenfresser überfallen worden und wurden jetzt in Stücke gerissen – und wenn das zutraf, wie konnten sie und Mina dann tatenlos hier herumsitzen?
Sie schob den Sicherungshebel ihrer Savage vor, zurück, vor, zurück. Vor. Zurück. Und traf eine Entscheidung.
»Ich zähle bis zehn«, erklärte sie Mina. »Dann gehen wir hin.« Auf welchem Weg? Sie sollte möglichst in Deckung bleiben. Ellie drückte Mina ein wenig beiseite und schob sich vor, bis sie einen besseren Blick auf dieses ach so ferne Haus hatte. Also ehrlich, da brauchte man ja wirklich einen Feldstecher. Ihr Blick wanderte über graue Bäume und reinen weißen Schnee, auf dem da und dort das rote Licht der untergehenden Sonne spielte, und verweilte schließlich bei dem Stall, der ein Stück hinter dem Haus im Wald lag. Eine schnurgerade Strecke dorthin, und dann konnte sie …
Da blinkte etwas. Und unmittelbar darauf öffnete sich die Stalltür. Eine Hand erschien, dann ein Arm, eine Schulter … Ellie sah, wie ein Mädchen, ein spinnenartiges Ding, mit geschmeidigen Bewegungen herauskam – mit einem unglaublich riesigen Messer in der Hand.
Oh! Ellies Herz führte einen Stepptanz auf. Rasch zog sie sich und Mina wieder in Deckung. Du siehst mich nicht, du siehst mich nicht! Bei ihrem flüchtigen Blick auf das Mädchen – und das war eine Menschenfresserin, aber hallo! – hatte Ellie nur ihr langes, schmutzverklebtes Haar gesehen, und dass irgendetwas mit ihrem Gesicht nicht stimmte. Als hätte ihr ein anderer Menschenfresser ein großes Stück herausgebissen oder so. Ellie wusste es nicht. Mit klopfendem Herzen wartete sie und spitzte die Ohren, ob da irgendein Schlurfen im Schnee oder ein knackender Zweig zu hören war. Aber es blieb still, und auch Mina rührte sich nicht.
Gut, dann hat mich die Menschenfresserin nicht bemerkt. Glück gehabt. Aber jetzt musste Ellie wirklich etwas unternehmen. Vielleicht war der Schuss, den sie gehört hatte, ein Signal: Komm und hol dir was; es gibt leckere Jungs .
Sie wagte sich gerade so weit hinter dem Holzstapel vor, dass sie sehen konnte, wie das Mädchen in gebückter Haltung dahinhuschte wie eine Tarantel. Das riesige Ding mit der klotzigen, viereckigen Klinge sah jetzt eher nach einem Hackmesser aus.
Ellie umklammerte das Gewehr, aber was genau hatte sie eigentlich vor? Wenn sie Mina auf die Menschenfresserin hetzte, würde ihr Hund womöglich in Stücke gehauen werden. Gab sie hingegen einen Warnschuss ab, könnte das zwar Jayden und Chris helfen, doch dann würde die Menschenfresserin sie ganz schnell aufgespürt haben. Aber irgendwas muss ich tun …
Aus dem Inneren des Hauses drang ein wüster, wenn auch gedämpfter Schrei, ein Geräusch wie in Watte eingepackt und dann ein Bumm . Zerbrach da etwas, oder schlug eine Tür zu?
Im selben Moment erreichte das Mädchen die Ecke des Hauses, zwängte sich an einem langen, biegsamen Blech am Fundament des Hauses vorbei und verschwand unter dem Haus.
Das war zu viel. Irgendetwas war dort drinnen bei Chris und Jayden, etwas Grundböses, und jetzt schlich sich auch noch diese grauenhafte Menschenfresserin von hinten an sie heran.
»Los, Mina!« Ellie sprang auf und zog die Leine von Minas Schnauze. Schon preschte der Hund dahin wie eine Rakete, und Ellie rannte ihr hinterher und schrie: »Los, Mina, los, los, los!«
36
C hris nahm gerade noch Jaydens Ruf und das Krachen der Tür wahr, da fiel ihn etwas von hinten an und wirbelte ihn um die eigene Achse. Kurz erhaschte er einen Blick auf die Küche, ehe ihn der Veränderte – oder die Veränderte, das konnte er nicht erkennen – mit dem Gesicht voran zu Boden stieß. Als seine Stirn aufs Holz aufschlug, platzte die zarte Haut auf, die gerade erst nach dem Kampf mit dem Veränderten in Hannahs Küche verheilt war. Sein Gesicht tat höllisch weh, er versuchte, das in die Augen laufende Blut wegzublinzeln, zog ein Bein
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