Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
»Warte.«
»Danke«, erwiderte Luke weinerlich. Kurz drehte er sich mit der Taschenlampe um, doch das Mädchen und ihr riesiger Wolf oder Hund oder was auch immer waren verschwunden. Dann richtete er den Lichtstrahl auf den Wachposten, der sich im Krebsgang den Hang hinunterarbeitete. Zu spät fiel ihm ein: Mist, ich hab doch angeblich meinen Stiefel verloren. Er kniete sich hin. »Hier«, sagte er und leuchtete der Wache mit der Taschenlampe direkt ins Gesicht.
»Um Himmels willen.« Der Mann kniff die Augen zusammen und hob die Hände vors Gesicht. Zwischen seinen Lippen klemmte eine kaum angerauchte Zigarette. »Nimm das Licht weg, du blendest … «
Da sah Luke das Mädchen. Sie war so hoch gekrabbelt, dass sie jetzt über dem Wachposten stand und plötzlich wie eine Schauspielerin mit angewinkelten Armen ins Rampenlicht trat. Rasch und entschlossen schlug sie zu. Der Kolben ihrer Springfield knallte dumpf gegen den Schädel des alten Mannes, der einen Grunzlaut von sich gab. Ihm flog die Kippe aus dem Mund, die orangefarbene Spitze glühte wie ein Komet. Dann knickten langsam seine Beine ein, doch er war bereits bewusstlos, seine Gliedmaßen erschlafft. Mit dem Schwung aus seiner vorigen Bewegung machte er noch einen taumelnden Schritt nach vorn bis knapp ans Ufer.
Wow. Luke war so baff, dass er nur staunend mitansehen konnte, wie das Mädchen dem Wachposten rasch die Uzi abnahm und sie ihm reichte. Davor hatte sie die Waffe gesichert, wobei sie mit einem lauten Husten das metallische Krick-krack übertönte. »Will nicht riskieren, dass sich ein Schuss löst«, flüsterte sie und zuckte dann unversehens zusammen. Ihre Hand fuhr an die Schläfe und sie schwankte, als hätte sie einen jähen Schubs bekommen. »Das Geräusch würde … « Sie brach mitten im Satz ab und stöhnte laut auf.
»Alles in Ordnung?« Automatisch wollte er ihr die Hand reichen, überlegte es sich aber anders, als der Wolf, der das Unwohlsein des Mädchens spürte, zu winseln anfing und die Schnauze an ihren Schenkel presste. Sie sah aus, als hätte ihr gerade jemand einen Hieb versetzt, allerdings war ihr Gesichtsausdruck so unheimlich, wie er es noch nie gesehen hatte. Halt, das stimmte nicht ganz: Ein bisschen ähnelte sie Peter, wenn Finn eine seiner Gehirnbomben zündete. Also zog Luke die halb ausgestreckte Hand zurück, plötzlich unsicher, ob sie nicht gleich ausrasten würde. Vielleicht war sie eins von Finns Versuchskaninchen, das ihm entkommen war.
»Mir geht’s gut.« Ihr zaghaftes Lächeln erstarb sogleich wieder. Der zu ihren Füßen ausgestreckte Wachposten fing an zu schnarchen. Sie kniete sich hin und drehte den Kopf des alten Mannes, bis er leise weiterschlief.
»Wer bist du? Wo kommst du her?«
»Ich folge euch schon seit zwei Tagen«, antwortete sie. Ihr Wolf war wohl ein Mischling, überlegte er, eine Kreuzung aus Wolf und Malamute oder einer großen Husky-Rasse. »Musste warten, bis sie ausgerückt waren. Buck.« Sie drehte sich um und klopfte sich ans Bein, worauf der Wolfshund sich an sie schmiegte. »Gut«, sagte sie und machte eine Kopfbewegung zum Hang. »Lock so viele her, wie du kannst.«
»Wie soll ich das anstellen?«
Jetzt stahl sich ein echtes Lächeln auf ihre Lippen, wenn auch flüchtig wie eine dahinflitzende Wolke. »Krieg Panik.«
»Hilfe, Hilfe! « Noch während Cindi den Ruf verarbeitete, ließ Luke auf den Schrei ein Kreischen folgen, bei dem sich ihre Nackenhaare sträubten.
»Oh!« Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie aufsprang und in die Richtung schaute, aus der Lukes Schrei gekommen war. »Luke?«, rief sie. »Luke, was … ?«
»Was ist los?«, schrie Chad. Auch er und Jasper waren bereits auf den Beinen. Mit gezogenen Waffen eilten die drei Wachposten herbei, gerade als sich Luke mit weit aufgerissenen Augen den Weg aus dem körnigen Dämmerlicht bahnte.
»Was ist, Junge?«, wollte eine der Wachen wissen, als Luke heranstolperte. »Wo ist … ?«
»Unten am Fluss. Ich glaub … Er hat vielleicht einen Herzinfarkt gekriegt oder so. Er hat sich an die Brust gefasst und … « Luke machte ein verzweifeltes Gesicht. »Ich kann keine Herz-Lungen-Wiederbelebung!«
»O Scheiße. Er atmet nicht mehr? Verdammt. Na schön, komm, mach schon. Hör auf zu flennen und zeig uns, wo er liegt.« Der Wachposten hängte sich seine Waffe um die Schulter und gab Luke einen Schubs. »Wir werden ihn tragen müssen«, sagte er zu den anderen, während sie losrannten und alle
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