Ashes - Pechschwarzer Mond (German Edition)
mehr reflektiert. Der Zugang von Süden her war in Schatten gehüllt. Pech für sie, Glück für Finn.
»Müsste bald hell werden. Diese verdammten Wolken. Lasst uns den Süden im Auge behalten und abwarten«, meinte Jarvis. »Sie sind schon über die Kuppe. Kann nicht erkennen, ob sie Waffen tragen … Da. Direkt vor uns. Seht ihr sie?«
»Ja.« Die Schatten verzogen sich, als hätte jemand eine Decke weggezogen, und dann sah Tom durch sein Fernglas etwas, das ihn an schwarze Ameisenkolonnen erinnerte, die über ein kariertes Tischtuch liefen. In dem unsteten Licht war es unmöglich zu zählen, wie viele es waren, aber er schätzte sie auf mehrere Hundert Veränderte, mindestens. Die Jugendlichen, die sich flink und gewandt bewegten, ergossen sich unbarmherzig wie eine Woge über den Hang. Bei diesem Tempo würden sie in einer knappen halben Stunde hier sein, genau rechtzeitig zum Sonnenaufgang.
Clever. Dann können seine Leute sehen, auf was sie schießen. Doch später bot das Licht auch Tom Vorteile. Das Kunststück würde sein, Finns Männer einfach lange genug in ihrer Quadratformation zu halten. Zehn, fünfzehn Minuten, das reicht.
»Hey«, sagte Chris, der dicht neben Tom stand. »Siehst du die Pferde oben auf dem Berg?«
»Ja.« Man konnte unmöglich übersehen, wie die Pferde jetzt über den Hügelkamm galoppierten. Er hatte gewusst, dass manche reiten würden: Mellie, Finn, ein paar von Finns Männern. Womit er nicht gerechnet hatte, waren die weiß schimmernden Gestalten. »Das sind sie. Die mutierten Veränderten, von denen ich dir erzählt habe.«
»Die in Weiß? Auf Pferden?« Jarvis klang verblüfft. »Ich weiß, dass Pferde nicht ganz so heftig reagieren, aber … mein Gott … das sind mindestens zwanzig oder dreißig.«
»Wenn sie so gute Kämpfer sind, warum führen sie den Angriff dann nicht an?«, fragte Chris. »Stellt man nicht die besten Leute an die Spitze?«
»Nicht, wenn man seine besten Leute behalten will. Das ist wie bei den mongolischen Horden.« Tom konnte jetzt auch an der rechten und linken Flanke Männer sehen, die breitschultriger waren und so etwas wie grauweiße Wintertarnkleidung trugen. Gelegentliches Aufblitzen von Metall verriet ihm, dass sie bewaffnet waren, manche wohl auch mit Großkalibern; er konnte nur noch nicht sagen, womit genau. »Das Fußvolk soll die Kugeln abfangen.«
»Unsere Enkel als Kanonenfutter.« Jarvis schwieg einen Moment. »Gespenstisch, wie sie sich bewegen und wie still sie sind.« Wieder hielt er kurz inne. »Wie kommandiert er sie?«
»Keine Ahnung.« Tom bemühte sich immer noch vergeblich, Finn auszumachen. Bis Sonnenaufgang oder bis die Reiter näher herangerückt waren, würde Finn – wahrscheinlich ganz in Schwarz auf seinem Wallach – so gut wie unsichtbar sein. Stattdessen richtete Tom jetzt sein Fernglas auf die weiter entfernten Anhöhen und Ebenen.
»Vielleicht kommt er irgendwie in ihre Köpfe«, flüsterte Chris mit rauer Stimme. »Du hast gesagt, er muss ihnen was gegeben haben, wegen ihrer Augen. Was, wenn sie seine Gedanken hören können?«
»Bei den Mutierten kann ich mir das vorstellen.« Langsam schwenkte Tom das Fernglas von rechts nach links. Die Nacht wich dem Morgengrauen, und er fokussierte den Blick jetzt auf die Ferne, wie bei dem Versuch, eine entfernte Galaxie zu erspähen. Bitte, lieber Gott, mach, dass sie dort sind. »Aber das erklärt nicht die anderen … « Er unterbrach sich, als er in mittlerer Entfernung etwas orange aufblitzen sah. »Hab sie. Im Westen, nicht weit vom Waldrand. Dort ist ein Bach, stellenweise immer noch vereist, aber das Wasser fließt schon ganz ordentlich. Dort würde ich mein Lager aufschlagen.« Er sah Chris an. »Kein schlechter Zeitpunkt, um Pru und deine Jungs loszuschicken. Sie könnten ziemlich schnell dort sein.«
Chris nickte und zog sein Funkgerät heraus, als Jarvis sagte: »Tom, siehst du die Kerle, die aus der Hauptformation ausbrechen?«
»Ja, die sehe ich.« Vier Mann auf Pferden preschten an der vordersten Linie der Veränderten vorbei. Es war immer noch zu düster, um sie genau zu erkennen, aber Tom beschlich ein ungutes Gefühl.«
»Was«, fragte Jarvis, »tun die da?«
44
I n den letzten paar Minuten hatte das Pusch-pusch-los-los-los sie mit einer Kraft überrollt, dass es Alex die Luft aus der Lunge presste. Das Monster brodelte und wand sich in seiner Höhle wie ein Wurm, der sich unter die dünne Haut einer überreifen Frucht frisst.
Die Zeit
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