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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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behandschuhten Fingern an einem hohen Grashalm und riss den braunen Stängel in immer kleinere Fetzchen. «Meine Mutter hat dir keine Nachricht für mich mitgegeben?», fragte sie mit gespielter Beiläufigkeit.
    «Nein.» Addie versuchte, einen leichten Ton beizubehalten. «Sie spricht nicht mit mir. Seit … du weißt schon.»
    Sie hatten ihr die Schuld an Beas Verfehlung gegeben, da sie ja Frederick ins Haus gebracht hatte. Tante Vera hatte sie als Nestbeschmutzerin beschimpft, sie ein undankbares und hinterhältiges Ding genannt. Und Schlimmeres. Sie war ohne einen Penny aus dem Haus geworfen worden und stand plötzlich völlig mittellos da und musste sich irgendwie allein durchbringen. Zum ersten Mal hatte sie sich wahrhaft als Waise gefühlt.
    Wäre nicht Fernie gewesen, hätte sie auf der Straße gesessen. Doch Fernie hatte sie in ihrer winzigen Wohnung aufgenommen und mit ihr geteilt, was sie besaß, während Addie sich auf die Suche nach einer Anstellung machte. Bei der
Bloomsbury Review
verfügte man nicht über die Mittel, sie zu bezahlen. Sie konnte sich an diese ersten sechs Monate nur dunkel erinnern, alles war zusammengeballt in einem wirren Durcheinander von schweren Schreibmaschinen, dünnem Tee und regnerischen Tagen. Was sie alles für selbstverständlich gehalten hatte, bevor sie es verlor!
    «Oh, sagte Bea. Alles Licht in ihrem Gesicht war erloschen. Sie sah aus, dachte Addie, wie eine Lithographie ihrer selbst. «Ich dachte, ach, schon gut.»
    Addie dachte, wie sie Tante Vera das letzte Mal gesehen hatte bei diesem grauenvollen Gespräch in dem sterilen Salon, aus dem alle Bilder von Bea entfernt worden waren, als hätte sie nie gelebt. Und dennoch war Addie überzeugt, dass Tante Vera Bea liebte, mehr als Edward und Dodo zusammen. Es war eine merkwürdige Art von Liebe, in der sich Stolz und Ehrgeiz zu gleichen Teilen mischten. Es war Liebe, wie Tante Vera sie verstand. Sie hatte Bea auf ihre Weise so leidenschaftlich geliebt wie Pygmalion seine Galatea. Tante Veras Furor über Beas Verfehlung, die sie als persönlichen Verrat empfand, war schrecklich anzusehen gewesen.
    Aber jetzt, nach so langer Zeit …
    «Vielleicht wenn du ihnen schreibst», meinte Addie.
    Bea lachte, scharf und bitter. «Glaubst du, das hätte ich nicht versucht? Ich habe nie eine Antwort bekommen. Ich hätte gedacht, dass mittlerweile …» Sie brach ab, als Frederick zurückkam und den leeren Kanister wieder im Kofferraum verstaute. «Himmel, das ist aber schnell gegangen. Sind wir getränkt und startbereit?»
    Frederick bot Addie die Hand, um ihr in den Wagen zu helfen. «Bereit für die letzte Etappe?», fragte er. «Es ist jetzt nicht mehr sehr weit.»
    «Ich frage mich, woran du das siehst», sagte Addie. «Für mich sieht das hier alles gleich aus.»
    Das Land schien sich ins Unendliche zu dehnen, braunes Gras und gekrümmte Bäume und dazwischen die rote Piste. Der Himmel darüber hatte eine unermessliche Weite, die befreiend und zugleich ehrfurchteinflößend war.
    «Ich könnte mir denken, dass es den Kikuyu in Dorset nicht anders ginge», meinte Frederick.
    «Unsinn.» Bea ging um den Wagen herum und setzte sich energisch ans Steuer. «In der Wüste von Dorset kommt niemand um.»
    «Hier kommt auch niemand in der Wüste um.» Frederick setzte sich auf die andere Seite von Addie. Er versuchte gar nicht, Bea den Platz am Lenkrad streitig zu machen. «Jedenfalls nicht so weit im Süden.»
    «Nein, nur vor Langeweile», sagte Bea und ließ beim Anfahren den Motor so donnernd aufheulen, dass der Lärm eine kleine Antilope aus dem Busch trieb. Addie hielt sich an der Sitzkante fest und schaute bald in die Landschaft hinaus, die in einer roten Staubwolke vorüberflog, bald zu ihrer Cousine, die, tief über das Lenkrad gebeugt, fuhr wie von Dämonen gejagt.
    Sie saßen in unbehaglichem Schweigen nebeneinander, bis Frederick plötzlich schrie: «Halt den Wagen an.»
    Ein Mann kam ihnen auf der Piste entgegengerannt. Er hielt sein langes weißes Gewand an den Knien gerafft, seine Füße wirbelten rote Staubfahnen auf. Das weiße Gewand war rot verschmiert, doch nicht mit Staub, wie Addie erkannte, sondern mit Blut, viel Blut.
    Bea trat heftig auf die Bremse, der Wagen schleuderte, und Addie wurde gegen Frederick geworfen. Seine Hände umfassten kurz ihre Schultern. «Immer mit der Ruhe», sagte er und sprang aus dem Wagen, ohne erst die Tür zu öffnen.
    Mit einem Wortschwall in einer für Addie unverständlichen

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